Adopt, don’t shop! – Ein neues Familienmitglied aus dem Tierheim
Über viele Jahre hatten in unserem Haus die Katzen das Sagen. Daran hat sich auch nach dem Einzug von Luke und Hayley nichts geändert – doch unseren Familienalltag haben die beiden Tierheimhunde kräftig aufgemischt.
Hayley ist eine Schäferhund-Mischlingshündin aus Ungarn und kam mit vier Monaten über eine Tierschutzorganisation zu uns. Da wir keine Erfahrung mit Hunden hatten, entschieden wir uns für einen Welpen. Die Hoffnung war, gemeinsam zu wachsen. Hayley in die Höhe und wir Menschen an unserer neuen Aufgabe. Luke kam als Zweithund dazu. Er ist ein Beauceron-Retriever Mischling und stammt aus Frankreich, wo ihn eine Familie als Welpen kaufte und wenig später wegen seines jugendlichen Überschwangs ins Tierheim gab. Nach vielen Irrwegen kam Luke nach Deutschland, wo wir ihn mit anderthalb Jahren adoptieren.
Wenn man als Familie plant einen Hund aus dem Tierheim zu adoptieren, stellen sich zahlreiche Fragen: Wie verhält er sich gegenüber Kindern? Kann er mit dem oft hektischen Familienalltag umgehen? Wird er sich gut in das Familiengefüge integrieren? Im besten Fall gewinnt man einen Freund fürs Leben, der die Familie komplettiert. Im schlimmsten Fall wird der Hund zur Belastung, weil er sich in der neuen Situation nicht zurechtfindet oder Regeln und Rangfolge nicht akzeptiert. Tierheimhunde sind in den meisten Fällen Überraschungspakete. Sie haben ihre individuelle Geschichte, viele haben schlechte Erfahrungen gemacht. Sind es Mischlinge, dann bilden sich verschiedenste Charakterzüge heraus. Doch es ist genau ihre Individualität, die Tierheimhunde zu wertvollen Sozialpartnern für ihre Familien werden lässt.
Bei Hayley steckt der Straßenhund in den Genen. Nichts ist für sie wichtiger, als der Zusammenhalt und die Sicherheit des Rudels. Ihr Herz zu gewinnen ist nicht leicht, Fremden gegenüber ist sie skeptisch. Gehört jemand aber zu Hayleys Rudel, dann ist ihre Liebe und Treue grenzenlos. Von Hayley begrüßt zu werden, gehört zu den schönsten Momenten unseres Tages. Sie tanzt, sie jault freudig und erzählt einem begeistert von ihrem Tag. Als Hayley in die Pubertät kam trieb sie uns regelmäßig zur Verzweiflung. Keine Hundebegegnung blieb friedlich, jeder Spaziergang wurde zur Tortur. Wir taten das einzig richtige und holten uns professionelle Hilfe in der Hundeschule. Heute ist Hayley sehr viel entspannter und doch kein einfacher Hund. Ihre Autonomie, die ihr auf der Straße das Leben sichern würde, ist ein nicht zu vernachlässigender Wesenszug. Straßenhunde sind schlau und gehorchen nicht blind. Der Hund muss verstehen, dass er sich auf seine Menschen verlassen kann und keine Entscheidungen treffen muss. Kann der Mensch das glaubhaft vermitteln, ist das Zusammenleben kein Problem.
Luke kam unter den schlechtesten Voraussetzungen zu uns: Ein hyperaktiver Junghund, unerzogen, nicht sozialisiert und unkastriert. Der erste Kontakt mit Hayley war alles andere als harmonisch. Hormongesteuert und im Umgang mit anderen Hunden ungeübt wurde Luke von ihr ziemlich deutlich in die Schranken gewiesen. Es dauerte drei Wochen bis er ihre Spielregeln akzeptierte und der Umgangston freundlicher wurde. Wenig später folgte ein dramatischer Wendepunkt. Luke griff den Nachbarshund an und verletzte ihn. In diesem Moment spielten wir mit dem Gedanken, ihn zurück ins Tierheim zu geben. Doch wir entschieden uns für Luke und konsultierten erneut die Hundeschule. Heute sind wir darüber unendlich glücklich, denn es dauerte nur wenige Monate, bis Luke zum Liebling in jeder Hundegruppe wurde. Heute ist er ein Sonnenschein, egal ob zu Mensch oder Tier. Was ihm fehlte war Erziehung und Sozialisierung. Und eine Chance.
Unsere Familie hat sich bewusst dafür entschieden, Tierheimhunde zu adoptieren und würde es wieder tun. Doch gerade für Familien mit kleinen Kindern ist ein Rassehund oft die bessere Wahl. Eine genetische Wundertüte aus dem Tierheim birgt eher das Risiko, dass es am Ende zwischen Hund und Familie nicht passt. Wer sich nichtsdestotrotz für einen Tierheimhund entscheidet sollte sich die Frage stellen, ob er bereit ist mit dem Tier zu arbeiten, wenn nicht alles reibungsfrei klappt. Professionelle Hilfe bei Hundeschulen oder Trainern zu suchen ist absolut ratsam und in manchen Fällen auch unerlässlich. Wer bereit ist den individuellen Charakter und die Vorgeschichte eines Tieres zu akzeptieren, der findet im Tierheim die ganz große Liebe.
Bildnachweis: Foto Julia Schultze
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