Hellhörig für Inklusion – Dunkelerfahrungen auf dem Erfahrungsfeld der Sinne

von | 26. Mai 2023 | Freizeit!!!, Miteinander leben, streiten, wachsen

Das Gefühl, nur noch schwarz vor Augen zu haben, ist seltsam. Ehrlich gesagt, steigt sogar ein bisschen Panik auf. Gerade eben habe ich noch das bunte Treiben auf der Wöhrder Wiese beobachtet: Leute mit und ohne Hund, vorbeidüsende Radfahrer*innen, tobende Kinder. Jetzt sind all diese Bilder hinter einer Augenbinde verschwunden und ich sehe: nur noch Dunkelheit.

 

Ich sperre angestrengt die Ohren auf, kann aber die vielen Geräusche gar nicht richtig zuordnen. War es vorhin auch schon so laut? Ich bin mit Katrin Schuster und Armin Nembach verabredet; die beiden gehören zum Team aus blinden und sehbehinderten Mitarbeitenden, die die Dunkelerfahrungen auf dem Erfahrungsfeld betreuen. Sie werden mich auf einer Tour begleiten, bei der ich ebenso wenig sehen werde, wie sie. Ich bin bei Armin untergehakt, mit der rechten Hand umklammere ich einen Blindenlangstock und versuche damit zu ertasten, wo wir gerade entlang gehen. Damit spüre ich etwa, wenn sich der Bodenbelag verändert. Gehen wir noch geradeaus? So langsam verliere ich die Orientierung. Mit uns läuft auch eine sehende Mitarbeiterin, die ab und an nachjustiert – „jetzt ein bisschen mehr rechts halten.“ Armin legt ein flottes Tempo vor. „Habt ihr keine Angst, wenn ihr unterwegs seid?“, frage ich. „Angst darfst du nicht haben, sonst dürftest du gar nicht mehr aus dem Haus“, lautet seine Antwort.

Obwohl beide den Weg zum Erfahrungsfeld gut kennen, eine Herausforderung sei er dennoch jedes Mal. „Besonders E-Roller sind problematisch, weil man sie nicht kommen hört“, berichtet Katrin. Gefährlich ist es auch, wenn sie – wie so oft – einfach mitten im Weg stehengelassen wurden. Solche Kleinigkeiten sind es, auf die die Dunkeltour aufmerksam machen möchte. „Wir wollen die Leute nicht missionieren, nur ein bisschen zum Nachdenken bringen“, sagt Armin. „Es wäre schön, wenn wir damit ein paar erreichen und sensibilisieren können“, ergänzt Katrin. Denn das würde Betroffenen das Unterwegssein ein wenig erleichtern. An einer Treppe angekommen, taste ich mich mit dem Stock zögerlich Stufe für Stufe nach oben. Ein stehendes Motorengeräusch ist zu hören. „Wo steht das Auto und wie weit ist es weg?“, will Armin von mir wissen. Ich lausche. Wie alle Sehenden, die die Dunkeltour unternehmen, konzentriere ich mich automatisch auf meine Ohren. Dennoch verschätze ich mich gewaltig. Aber etwas anderes rückt intensiv in mein Bewusstsein – vielfältiges Vogelgezwitscher. Auch das eine wertvolle Erkenntnis: Es kann bereichernd sein, andere Sinne in den Vordergrund treten zu lassen.

Mehr Inklusion

Seit 1. Mai hat das Nürnberger Erfahrungsfeld wieder geöffnet. Die Dunkelerlebnisse und der inklusive Gedanke dahinter gehören seit vielen Jahren dazu. „Damit möchten wir dazu beitragen, das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung als selbstverständlichen Bestandteil des Lebens erfahrbar zu machen“, sagt Sozialpädagogin Lea Nenadović, seit 2022 Inklusionsbeauftrage des Erfahrungsfeldes. Der Sinnesparcours soll nach und nach barriereärmer umgebaut, inklusive Ansätze sollen erweitert und auch bei den Stationen zunehmend berücksichtig werden. Schon vor zwei Jahren wurde eine Rollstuhlschaukel installiert und heuer um einen kleinen Parcours mit unterschiedlichen Bodenbelägen ergänzt, der fühlbar macht, wie schwierig das Vorankommen im Rolli sein kann. Ganz neu in diesem Jahr sind zwei unterfahrbare Tische an der Backstation.

Am 10. und 11. Juni stehen Führungen unter dem Motto „Klanggeschehen“ für Taube, Menschen mit Hörbehinderung als auch Hörende auf dem Programm. Und im Hippodrom sind während der ganzen Saison (bis 10. September) Kunstwerke der „Idyllerei“ ausgestellt, ein Atelier der Lebenshilfe Nürnberg für Künstler*innen mit geistigen Behinderungen.

Weiterführende Informationen gibt´s unter:
www.erfahrungsfeld.nuernberg.de

 

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bildnachweis: Copyright: Manuela Prill