Schöner Scheitern in der Kommunikation – Verbindung statt Lösung

von | 27. September 2021 | Miteinander leben, streiten, wachsen

„Sowas passiert dir als Kommunikationsexpertin? Da bin ich aber enttäuscht.“ Nach diesem Satz einer Bekannten spürte auch ich Enttäuschung – über mich selbst und darüber, dass von mir Unfehlbarkeit erwartet wird. Wieder mal gescheitert? Mit „falschen“ Worten jemanden verärgert … obwohl ich täglich dran arbeite, an allen Tagen der Woche wertschätzende Kommunikation zu leben. Richtig schmerzlich wird es für mich, wenn sich nach Gesprächen innerhalb meiner Familie Gräben auftun, wo ich doch Brücken bauen wollte.

Als ich über diesen Artikel nachdachte, fragte ich mich: Was ist überhaupt Scheitern? Vor allem eine Wertung, ein Urteil – das in der gewaltfreien Kommunikation unterbleiben soll. In der Umkehrung des Begriffs zeigt sich das Unerfüllte dabei: das Gelingen – ja das wär’s.

Sie kennen das Gefühl, wenn sie sich nach einem Gespräch ihrem Partner noch ferner fühlen als vorher? Wenn ein Gespräch nur neue Missverständnisse erzeugt und am Ende Vorwürfe hin- und herfliegen? Sie sind verzweifelt, wenn Ihre Kinder trotzig die Tür zuhauen und davonrennen, nachdem Sie ihnen klar und freundlich gesagt haben, was Sie gerne von ihnen hätten. Und Sie kennen diese Wut im Bauch, wenn die Schwiegermutter weiterhin Süßkram an ihre Kinder verteilt, obwohl sie sich das verbeten haben. Nicht immer liegt es an „falsch“ gewählten Worten. Manchmal werden Worte „feindlich“ gehört, im Widerstand mit sich und dem Thema. Doch können Geübte mit Worten auch mal in Fettnäpfchen treten oder die Fassung verlieren. Wenn dann Worte wie Pfeile fliegen, ist das im nahen Familienkreis besonders traurig, auch wenn man weiß, dass „Schießen“ meist ein Ausdruck von Verzweiflung ist, weil man sich so klein und ohnmächtig fühlt, wenn die anderen einen nicht verstehen können oder wollen. Da erschrickt man schon mal über sich selbst oder mag sich vielleicht nicht mehr leiden. Zeit für eine Runde Selbstempathie, in der ich mir sage: Wie menschlich, dass du gerade nicht weiter weißt, dass du enttäuscht bist und wütend. Was brauchst du jetzt?

Vielleicht brauche ich erstmal Abstand. Bewegung kann helfen, um Kopf und Bauch zu beruhigen und zu schauen, worum es mir wirklich geht, was mein tiefstes Bedürfnis im Konflikt mit dem anderen ist. Wenn ich mich damit ernst nehme, kann ich nach einer Weile sehen, dass der andere fast immer genau das gleiche Bedürfnis hat, nur eine andere Strategie, um es zu erfüllen. Oft geht es einfach darum, gesehen und gehört zu werden, vielfach um Respekt, Selbstbestimmung oder Wertschätzung. Es braucht genaues Hinspüren, was einem „fehlt“ – das kann manchmal etwas dauern.

Wenn mich das „Nein“ meines Gegenübers in Rage bringt, erinnere ich mich an die Sichtweise, dass hinter jedem Nein immer ein Ja zu mir selbst steht, zu einem mir wichtigen Wert. Etwas von den Werten der anderen zu sehen, schafft in jedem Fall Verbindung.

Als ich mich bei einer Freundin mal beklagte, dass ich in der Kommunikation mit meiner Tochter so oft scheitere, meinte sie: Aber ihr seid in Verbindung, ihr redet immer wieder miteinander! – Ja, das ist es, was zählt: in Verbindung bleiben.

Sehr häufig scheitert Kommunikation daran, dass wir mit einem Gespräch vor allem eine Lösung suchen und die bitte möglichst schnell erreichen wollen. Natürlich darf ich mir wünschen, dass meine Familienmitglieder tun, was mir guttut. Wenn ich dabei feststelle, dass denen gerade etwas ganz Anderes guttut, kann das frustrieren. Doch mit einem Austausch darüber entsteht Verbindung. Marshall Rosenberg, der Konfliktmediator, dessen Modell der Gewaltfreien Kommunikation ich lernte und lehre, empfahl für jeden Dialog und Konflikt die einfache Frage: Wie können wir uns das Leben schöner machen?

Wenn ich mich verfranst habe im Dschungel der Worte und Gefühle, wenn ich nur noch Fronten sehe und ein Gespräch zu scheitern droht, kann ich fragen: Was kann ich tun, um dein Leben jetzt, schöner zu machen? Worum kann ich bitten, damit du mir jetzt mein Leben schöner machst? Ist das nicht die schönste Lösung?

Oder man versucht etwas ganz Unerwartetes, wie eine junge Frau, die mir erzählte, dass sie im Streit ihren Mann einfach umarmte und beide unter Tränen in ein wunderbares Gespräch kamen.

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