Zu Tisch, bitte!

von | 18. Juni 2021 | Miteinander leben, streiten, wachsen

Die Bedeutung, die das Essen für uns hat, habe ich zum ersten Mal wirklich begriffen, als ich Mutter wurde. Von Geburt an müssen wir essen, das ist eine der existenziellen Gegebenheiten unseres Daseins und das geht weit über das bloße Stillen des Hungers hinaus. Für das kleine Wesen an meiner Brust bedeutete es auch Geborgenheit, Nestwärme und einen heimischen Duft in der Nase. Bindung entsteht.

 
Für ältere Kinder ist es von großer Bedeutung, wie im Zuhause mit dem Thema Essen umgegangen wird.

Eine gemeinsame Mahlzeit und Tischrituale schenken eine stützende Struktur in einem Alltag, der mehr und mehr von Flexibilität und schwimmenden Grenzen geprägt ist. Wir können gemeinsam lernen, einen Raum zu gestalten, in dem wir zusammenkommen und uns über unseren Tag austauschen. Der Tisch ist dabei unser Feuer in der Mitte, um das wir herumsitzen und an dem wir uns wärmen. Ich denke, rigides einfordern von Tischmanieren und grässliche Sätze aus finsteren Zeiten („Kinder soll man bei Tisch zwar sehen, aber nicht hören“) sind längst überholt. Bei uns haben alle Anwesenden denselben Redeanteil und es darf unbedingt auch lustig sein. Tatsächlich erlauben wir uns am Wochenende von Zeit zu Zeit ein Frühstückskino auf dem Sofa, und sehen uns während des Essens einen Film an. Das steht zwar im krassen Gegensatz zur empfohlenen Konzentration auf die Speisen und achtsame Nahrungsaufnahme, aber dafür lieben wir es. Uns reicht das, um die bestehenden Regeln nach unserem Bauchgefühl zu dehnen.

 
Unsere Kinder lernen durch unser Vorbild die Lust am gesunden Essen.

Sie lernen genießen und genießen bedeutet, glücklich zu sein. Sie lernen, ihr eigenes Hungergefühl wahrzunehmen und sich danach zu richten. Heute eine kleine Portion, aber morgen vielleicht eine ganz große. Schon kleinen Kindern können wir eigene Aufgaben übertragen. Das Tischdecken, das Schneiden der Gurke oder das Einräumen der Spülmaschine lässt sie am ganzen Prozess teilhaben und sie fühlen sich wichtig und wertgeschätzt.

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul sagte, die gemeinsame Mahlzeit sei vielleicht das stärkste Symbol der Liebe in unserer Kultur. Ich denke, das ist was dran. Das funktioniert aber nur, wenn wir uns in einer warmherzigen und zugewandten Atmosphäre begegnen. Kritik und Nörgelei verderben einem den Appetit und haben am Esstisch nichts verloren. Miteinander essen vermittelt uns Freude, Sicherheit und Geborgenheit und das tut uns allen gut.

Guten Appetit!

 

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