Von Taiwan zurück nach Nürnberg – mit Mann und zwei kleinen Kindern
Magdalena Lin lernte ihren Ehemann während eines Auslandssemesters in Taiwan kennen. Acht Jahre lang lebte sie dort, bis sie – mit Familie – zurückkehrte. Sie ist freiberufliche Neugeborenen-Fotografin und bei Kinderhaus gGmbh für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, ihr Mann ist freiberuflicher Grafikdesigner. Sie berichtet in diesem Blog über das Ankommen der Familie in Nürnberg.
„Meine Kinder sind in Taiwan geboren, bei Noahs Geburt hab ich noch studiert, dann kam Jana. Als Noah fünf wurde dachten wir uns, jetzt ist die Gelegenheit wo wir mal überlegen müssen: Wollen wir in Taiwan bleiben oder zurück nach Deutschland? Weil es eine schwierige Frage ist, in welchem Land man bleibt, wenn Eltern aus verschiedenen Ländern kommen. Wir sind hauptsächlich zurückgekommen wegen der Überlegung, wo die Kinder später auf die Schule gehen sollen.
Was auf Einen zukommt ist Stress! In Deutschland ist die Bürokratie erstmal überwältigend, da weiß man garnicht, wo man anfangen soll. Als Zurückkehrer hat man schon mal viel zu organisieren, für eine Familie kommen noch Fragen dazu wie z.B.: Wo bringe ich meine Kinder unter? Wie krieg ich das finanziell hin, denn Kinderbetreuung kostet ja Geld. Wie stecken das die Kinder weg? Ich hab das total unterschätzt. Solange Kinder mit den Eltern unterwegs sind, machen sie alles mit. Aber ich habe speziell an meiner Tocher gemerkt, dass sie sich plötzlich verändert hat, sie wurde total zurückhaltend. Immer war sie ein sehr offenes, soziales Kind, war aber in der neuen Situation total verunsichert.
Sobald größere Menschengruppen um sie waren, wurde sie ganz seltsam und als Freunde aus Taiwan kamen, erlebte ich sie wieder wie früher. Da dachte ich mir, das liegt vielleicht auch an Äußerlichkeiten, daran, dass alles einfach plötzlich anders aussieht.
Mein Sohn spricht Deutsch, Chinesisch und er versteht auch Englisch, weil ich mit meinem Mann Englisch spreche. Mein Mann spricht mit den Kindern Chinesisch und ich mit den Kindern Deutsch. Also wachsen sie dreisprachig auf. Mein Mann macht jetzt einen Deutschkurs, aber es ist schwierig, wenn man seinen Partner in einer bestimmten Sprache kennenlernt, später durchzusetzen, dass man die plötzlich ändert. Jetzt sagen zum Beispiel viele Leute, dass ich mit meinem Mann Deutsch sprechen muss. Aber in der aktuellen Situation ist es einfach nicht durchziehbar, dann würde unser Alltag noch schwieriger. Normalerweise verteilt sich ja so ein Familienleben immer auf Vater und Mutter, jeder hat so seine Aufgaben. Jetzt aber ist es so, dass das Meiste ich machen muss. Die Kinder organisieren, die Bürokratie, dann auch Freizeitaktivitäten raussuchen, weil er noch nicht genug Deutsch versteht.
Man ist auch kulturell in einer neuen Situation. In Deutschland gelten auch andere Regeln, an die sich Kinder halten müssen oder sollten. Ich glaube, hier dürfen Kinder mehr, sie dürfen sich mehr entfalten und mehr Persönlichkeit zeigen, aber nur in einem gewissen Rahmen. Ich hab schon das Gefühl, dass von einem Kind zum Beispiel erwartet wird, dass es am Tisch sitzt, sich ruhig verhält und wenn Kinder laut sind, dann reagiert das Umfeld anders, als in Taiwan. Wenn mein Kind zum Beispiel mal an der Kasse ausgerastet ist, dann habe ich schon Sprüche gehört wie „Mensch ist Ihr Kind laut, da braucht man ja Ohrenhörer“. Oder als sich mein Kind freute und etwas lauter sprach, weil es sich eine Eissorte aussuchte, dann sagte auch schon eine Frau zu ihr nebenbei „Könntest du ein bisschen leiser sein.“. So offene, direkte Kritik gibt es in Taiwan – wahrscheinlich generell in Asien – nicht.
Meine Kinder sind asiatisch aufgewachsen, haben aber eine deutsche Mutter, die ihnen erlaubt hat, sich offen auszudrücken. In Asien hat ein Kind einfach zu folgen. Kinder sind in Taiwan eigentlich ruhig und diszipliniert. Ich muss mal ausholen, um zu erklären, wie sich das aus meiner Sicht entwickelt:
Zum Beispiel wird ein Baby sehr behütet, es sollte nicht auf dem Boden spielen und eine typische Spielplatzsituation ist, dass die Mutter immer hinten dran ist zum Aufpassen. Auf der anderen Seite wird Kindern sofort auf die Finger gehauen, wenn sie sie in den Mund nehmen. Das nur als Beispiel für ein „Hör auf das zu machen – aber frag auch nicht warum“, dem Kinder ausgesetzt sind. Das zieht sich bis ins Erwachsenenalter rein – es gibt kein Hinterfragen von Vorschriften. Wenn ich als Deutsche einer taiwanesischen Mutter sage „Lass doch dein Kind die Hand in den Mund nehmen, weil das Kind durch seine Hand die Welt erfährt“, dann versteht sie das nicht. Ich glaube, deswegen „funktionieren“ die Kinder dann einfach. Sie gehen in die Schule und werden nur bewertet nach „Hast du einen guten Test abgeliefert?“ und „Hast du funktioniert?“. Es wird nichts ausdiskutiert, auch nicht in der Familie. Wenn der Vater Nein sagt, heißt das Nein. Ansonsten gibt’s halt eins drauf, im schlimmsten Falle.
Ich wollte auch aus diesen Gründen gern zurück – als Mensch, der kreativ und frei aufgewachsen ist. Wir lernen hier ja schon oft von früh auf, über Probleme zu diskutieren.
Mein Mann begleitet gerade die Eingewöhnungszeit von Jana in der Krippe. Es ist für ihn wirklich ein Rollenwandel, denn für asiatische Männer spielt Familie nicht so die Rolle. Sie gehen arbeiten und die Frau kümmert sich um das Kind. Besser gesagt: Die Großeltern kümmern sich um das Kind, weil beide Eltern arbeiten. In Taiwan kehrt eine Mutter schon nach dem zweiten Monat wieder an den Arbeitsplatz zurück. Normalerweise geht das Kind dann schon in eine Einrichtung oder die Großeltern übernehmen die Betreuung.
Noah geht es im Kindergarten relativ gut. Er hat sich schnell zurechtgefunden.
Als Familie gefallen uns die vielen guten Spielplätze, die es wirklich an jeder Ecke gibt – weil ja in Taiwan alle gleich aussehen. Das ändert sich zwar schon etwas, aber hauptsächlich sind Spielplätze aus Gummimatten und Plastik. Ich empfinde als sehr angenehm, dass man hier immer die Möglichkeit hat, Natur – auch in der Stadt – zu erleben – in den Parks zum Beispiel. Auch dass es kostenlose Aktivitäten für Kinder gibt, zum Beispiel die Büchereien. Wir können garnicht so viel machen wie angeboten wird!
Auch mein Arbeitgeber hilft mir in der aktuellen Situation viel, das muss ich sagen! Ich kann meine Arbeitszeit flexibel einteilen und treffe auf Familienfreundlichkeit – da habe ich echt Glück gehabt!
Schwierig finde ich für Ausländer in Deutschland, dass in Behörden meist nur Deutsch gesprochen wird. Mein Mann hat schon oft die Erfahrung gemacht, dass er auch mit Englisch nicht weiterkommt und sein Gegenüber Alles auf Deutsch durchzieht. Im Vergleich dazu war es für mich in Taiwan immer angenehm: Wenn dort jemand kein Englisch konnte wurde sogar umgehend jemand organisiert, übersetzt hat. Es findet hier einfach nicht statt, dass jemand kommt, Einen herzlich empfängt, oder sagt „Mensch, jetzt haben wir uns nicht gut verstanden, ich hol jemand, der kann uns helfen.“Aber das ist auch in Ordnung, es ist halt eine andere Mentalität. Ansonsten muss ich sagen, fühlen wir uns willkommen und auch echt gut aufgehoben in Nürnberg!
Bildnachweis: Magdalena Lin
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