Verbindung gesucht – Oder: Wie Kommunikation fließen kann
In meiner Winterpause sortierte ich eine Kiste mit Kabeln aus – schwarze, weiße, rote, gelbe, lange, kurze, dicke, dünne – mit überraschend unterschiedlichen Steckern dran. Waren sie einst fürs Telefon oder den Drucker, die Kamera, das Handy? Unzählige Akku-Ladegeräte lagen vor mir. Doch keines davon war das vermisste zu meinem Staubsauger …
Ich musste tief schnaufen angesichts des Kabelsalats, ratlos, wo ich die richtige Verbindung finden könnte. Ein Gedanke gesellte sich dazu: Ist es mit unseren menschlichen Verbindungen nicht genauso? Auch beim Weihnachtsstreit in der Familie meiner Tochter? Keine wusste recht, wie in einem Konflikt die Verbindung zueinander herzustellen sei. Die dafür gewählten Worte mit Vorwürfen, Enttäuschung und Abwehr ergaben nur Kurzschlüsse mit „Brandgefahr“. Die passende „Leitung“ ließ sich nicht finden.
Da Menschen in ihrer Kommunikation durch Erziehung und Erfahrung ganz unterschiedliche „Programmierungen“ haben, braucht es oft viele Versuche und eine Menge Einfühlungsvermögen, bis zwei auf einer Frequenz funken können. Manchmal helfen keine Worte. Dann kann stilles Zusammensitzen sogar mehr Nähe schaffen und sehr heilsam sein. Manche mögen gern Berührung oder gemeinsame Bewegung beim Sport. Ein gutes „Überbrückungskabel“ ist Musik und Tanz.
Wenn nicht klar ist, was nötig ist, um in Verbindung zu kommen, versagen auch gute Kommunikations-Modelle. Das Wichtigste ist, erst einmal mit sich selbst in Verbindung zu kommen, mit Fragen wie: Worüber bin ich enttäuscht, welcher meiner Werte ist nicht erfüllt, was ist verletzt in mir und was brauche ich JETZT? Vielleicht ist es anfangs Abstand, bei einer Wanderung in Verbindung mit der Natur oder möchte ich einfach nur dasitzen und hinspüren?
Meist kehrt tiefe Ruhe ein und Klarheit, wenn ich wieder an das angeschlossen bin, was mir Kraft, Balance und Richtung gibt und meine Batterien geladen sind. Dann kann ich schauen, welche „Verbindungskabel“ zum anderen ich finden kann und wo der passende Anschluss liegt.
Ich kann mit meinem Kind oder Partner gemeinsam überlegen, auf welcher „Frequenz“ wir uns erreichen können, damit wieder etwas fließt zwischen uns. Eventuell braucht das Kind einfach eine Umarmung und will kuscheln, statt mit vielen Worten oder Spielangeboten überschüttet zu werden. Vielleicht fühlt sich die Frau wieder verbunden, wenn ihr Mann mit ihr eine feste Vereinbarung für einen gemeinsamen Abend macht und kann es besser verkraften, wenn er sich bis dahin seiner Arbeit widmet. Und vielleicht erfährt die Schwägerin Verbundenheit, wenn ihr jemand beim Kochen für die Feier hilft. Und die Oma fühlt sich eingebunden, wenn sie einmal die Woche mit ihrer Enkelin einen Video-Chat hat.
Menschliche Verbindung ist lebenswichtig, sie gibt Energie und Sicherheit. Gestörte Verbindungen erzeugen Frust und Schmerz. Ein wichtiger Reparaturschlüssel für unterbrochene „Leitungen“ ist die Bitte. Es hilft ungemein, wenn wir uns sagen, was wir voneinander brauchen. Säuglinge schreien, wenn sie sich nach Verbindung und Nahrung sehnen. Später können wir unsere Bedürfnisse anders ausdrücken. Wir alle kennen das satte Gefühl, wenn wir bekommen was wir brauchen, wenn unsere inneren Batterien aufgeladen sind und alle Lämpchen grün blinken.
Lasst uns in Familien mitteilen, wie unsere Verbindungs-Stücke aussehen und wo wir uns verbinden können, damit die Liebe fließen kann. Gleich morgen damit beginnen: Was brauche ich und wie kann ich darum bitten? Viel Erfolg beim Verbinden!
Über die Autorin:
Karin Charlotte Melde – Jahrgang 1958
Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation nach M.B. Rosenberg, Autorin, Leiterin von Schreibwerkstätten
Mutter einer Tochter / Großmutter von Zwillings-Enkelinnen
Bewohnerin eines Mehrgenerationenhauses mit 100 Nachbar*innen www.wingmbh.de
Kontakt: DIE WORTBINDEREI Text / Kommunikationstraining / Schreibcoaching
melde@wortbinderei.de
www.wortbinderei.de
Bildnachweis: Rawpixel, Gorodenkoff - stock.adobe
0 Kommentare