… und ich schaffe das!

von | 12. Juli 2019 | Sagen Sie mal…

Wenn Mütter oder Väter ihr Kind (überwiegend) alleine erziehen, kann dies ganz unterschiedliche Gründe haben. Leider spielt manchmal auch Gewalt in der Partnerschaft eine Rolle. Wie es gelingen kann, eine solche Situation zu bewältigen und wieder ein gutes Leben zu führen, davon berichtet im Folgenden eine junge Mutter (Protokoll: Manuela Schmidt).

„Ich komme eigentlich aus Brasilien. Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich schon in Spanien gelebt. Mein Exmann ist Spanier. Als er eine Arbeit in Deutschland bekommen hat, sind wir zusammen hierhergekommen.

2012 wurde meine Tochter geboren. Da ich selber Erzieherin bin, habe ich gemerkt, dass sich meine Tochter nicht so schnell entwickelt wie die anderen Kinder. Sie ist dann in eine Kinderkrippe gegangen und hat Frühförderung und Unterstützung durch eine Heilpädagogin bekommen.

Ich habe zunächst in einer Pizzeria gearbeitet und danach auf Minijob-Basis gebügelt. Dann habe ich endlich eine Stelle als Erzieherin gefunden. Ich musste allerdings Dokumente über meine Ausbildung und ihre Anerkennung in Deutschland nachreichen und die Deutschprüfung B2 machen – und dafür hatte ich nur sechs Monate Zeit.

Es war eine sehr anstrengende Zeit. Ich habe abends, wenn meine Tochter im Bett war, noch bis zwölf Uhr gelernt und bin am Morgen um fünf Uhr aufgestanden, um wieder zu lernen. Beim ersten Mal habe ich die schriftliche Sprachprüfung nicht bestanden. Da habe ich Angst bekommen, weil ich wusste, dass ich die Prüfung bis zum Ende der sechs Monate nur noch ein zweites Mal machen kann. Aber beim zweiten Mal habe ich die Prüfung bestanden und konnte meine Stelle als Erzieherin behalten. Da war ich sehr glücklich.

In der Zeit, als ich für die Prüfungen gelernt habe, ist mein Vater in Brasilien an Krebs gestorben. Das war sehr schlimm für mich. Mein Exmann konnte mich nicht unterstützen, im Gegenteil, ich habe mich auch noch um ihn gekümmert. Er ist psychisch sehr krank und war emotional von mir abhängig. Ich habe eigentlich alles alleine gemacht und ihn sogar bei seiner Arbeit vertreten. In der Zeit, als ich selber so belastet war, ist es mit seiner Krankheit noch schlimmer geworden und er wollte nicht zum Arzt gehen. Er war oft laut und aggressiv und in einer Nacht hat er mir dann auch körperlich weh getan und das war zu viel. Ich habe am nächsten Morgen noch wie immer das Frühstück gemacht und meine Tochter in den Kindergarten gebracht. Aber dann bin ich nicht zur Arbeit, sondern zur Polizei gegangen, auch wenn er gesagt hat, ich soll mit niemandem darüber reden.

Meine Tochter und ich konnten in der Wohnung bleiben und mein Exmann musste ausziehen. Ich hatte aber trotzdem noch Angst. Doch ich wollte nicht ins Frauenhaus, wegen meinem Kind. Ich wollte, dass es weiter in seinen Kindergarten gehen und seine Therapien machen kann.

Mein Exmann hatte zwar sechs Monate eine Kontaktsperre und danach durfte er unsere Tochter eigentlich nur zusammen mit jemandem vom Jugendamt sehen. Leider habe ich mich am Anfang von ihm manipulieren lassen und mit ihm telefoniert und mich auch auf einem Spielplatz alleine mit ihm und dem Kind getroffen. Aber das war nicht gut. Er hat mich sehr aggressiv beschimpft, auch vor dem Kind. Ich rate Müttern in einer ähnlichen Situation, sowas nicht zu machen.

Ich habe dann mit seinen Verwandten gesprochen, dass sie etwas machen müssen. Sie haben endlich gesehen, wie schlimm es ist und ihn nach Spanien gebracht. Dort ist er jetzt in einer Klinik und macht eine Kur.

Ich wollte meinem Exmann nicht weh tun und war nicht sicher, ob es gut ist, wie ich es mache. Aber bei der Beratung von der Stadtmission habe ich gelernt, dass ich ein Recht auf ein gutes Leben habe. Ich bin wichtig, meine Tochter ist wichtig. Ich will glücklich sein mit meinem Kind. Die Beraterin hat mich sehr gestärkt und mir Mut gemacht. Sie hat gesagt, dass es reicht, wenn ich jetzt einmal in der Woche mit meinem Exmann telefoniere und dass er selber auf sich aufpassen soll. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe hier zwar auch eine sehr gute Freundin und eine Cousine, die mir sehr geholfen haben. Aber sie haben eher Verständnis für mich gehabt und für das, was ich getan habe, und nicht gesagt „Nein, das machst du nicht. Das musst du ändern“.

Der Auszug von meinem Exmann ist jetzt eineinhalb Jahre her. Mir geht es jetzt gut und ich bin stabil. Ich arbeite inzwischen 30 Stunden in der Woche und ich schaffe das. In der Freizeit bin ich oft mit meiner Tochter in der Natur. Wir spielen und beobachten Insekten. Oder wir machen andere schöne Dinge. Meine Tochter kommt im Herbst in die Schule. Ich habe schon alles organisiert. Und gerade ist meine Mutter aus Brasilien zu Besuch. Das Leben ist wieder schön!

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich das alles geschafft habe und klopfe mir manchmal selber auf die Schulter und sage mir „Gut gemacht!“. Und ich rate allen Müttern in einer ähnlichen Situation: Bleiben Sie nicht alleine! Holen Sie sich Hilfe! Beim Jugendamt, bei der Stadtmission oder einer anderen Beratungsstelle. Es ist so wichtig, jemanden zu haben, mit dem man über alles reden kann. Mir haben auch die Mitarbeiterinnen in der Kita von meiner Tochter sehr geholfen und die Heilpädagogin, die sie betreut hat.

Jetzt wünsche ich mir noch eine neue Wohnung und dass meine Mutter aus Brasilien hier in Deutschland bleiben darf. Ich bin ja ihre einzige Tochter.“

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