„Über Geld spricht man nicht“? Doch!
Marisa Kleinmann hat sich einen Namen als „Finanzmama“ gemacht und wurde 2024 von der Stadt Nürnberg mit dem Anerkennungspreis im Rahmen des Frauenpreises ausgezeichnet, weil sie Mädchen und junge Frauen niederschwellig für finanzielle Unabhängigkeit sensibilisiert.
Das Einkommen von Frauen, die Nachwuchs bekommen, sinkt enorm – statistisch gesehen verdienen Frauen mit Kindern 45 Prozent weniger als Männer, wenn sie mehr als drei Kinder haben, sind es sogar 70 Prozent. Dabei ist die unbezahlte Arbeit, die sie leisten, die sogenannte Care-Arbeit, eigentlich die wichtigste Arbeit in unserem System. Während der voll arbeitende Partner nicht nur das höhere Gehalt, sondern auch die Rentenpunkte sammelt, muss die Care-Person ihre Finanzen selbst anpacken, um auch finanziell ein gleichberechtigtes und unabhängiges Leben führen zu können und später nicht in Altersarmut abzurutschen. Im Interview mit dem Familienblog erklärt Marisa Kleinmann, welche Rolle negative Glaubenssätze dabei spielen und wie man auch mit nur wenig Geld ein Polster schaffen kann.
Marisa Kleinmann: Es gibt über 100 negative Glaubenssätze zum Thema Finanzen, die in den Köpfen von Frauen umherschwirren – und da in der Schule keine finanzielle Bildung bei uns in Deutschland stattfindet, kommen sie in der Regel aus dem Elternhaus. Finanzen sind Männersache, an der Börse verliert man nur Geld, über Geld spricht man nicht – Gedanken, die viel Einfluss haben und mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, um etwas zu ändern.
Simone Blass: Wann war bei Ihnen der Zeitpunkt, an dem Sie beschlossen haben, sich mit Ihren Finanzen intensiv zu beschäftigen?
M.K.: In der ersten Elternzeit. Bis dahin dachte ich, ich lebe in einer gleichberechtigten Partnerschaft. Elternzeit, Teilzeit, weniger eigenes Einkommen als früher: als ich meinen Mann das erste Mal darum bitten musste, eine Rechnung für mich zu begleichen, da war der Punkt, an dem ich dachte: Über alles wird in der jungen Elternschaft gesprochen, aber Geld und Finanzen sowie der finanzielle Gap, der dadurch entsteht, dass zwar fast 72 Prozent der Mütter, aber nur 8 Prozent aller Väter in Teilzeit arbeiten – das wird totgeschwiegen.
S.B.: Über Geld zu sprechen ist in vielen Partnerschaften noch heute ein Tabuthema, was die Finanzen schnell zum Streitthema Nummer eins macht …
M.K.: Ja, aber in den seltensten Fällen geht es hier wirklich ums Geld. Es geht um Motive, die tiefer liegen: um Wertschätzung, Anerkennung, Macht oder Angst. Hier gilt es, sich Schritt für Schritt anzunähern. Sich klarzumachen, dass sowohl Erwerbsarbeit als auch Carearbeit Arbeit sind. Dass der eine Vollzeit arbeitet, geht sehr häufig damit einher, dass der andere seine Stunden – zumindest eine Zeitlang – reduziert. Ich empfehle hier das Drei-Konten-Modell: Das ganze Gehalt kommt auf ein gemeinsames Konto und davon werden alle Ausgaben für die Familie bezahlt: von den Lebensmitteln bis zum Urlaub. Was am Ende übrig bleibt wird zu gleich hohen Teilen auf Einzelkonten überwiesen und mit diesem Geld kann jeder machen, was er will: ein Hobby finanzieren, Investitionen tätigen, Rücklagen bilden etc.
S.B.: Alles wird teurer, das Gehalt bleibt gleich – wie soll man denn da als Normalverdiener für die Zukunft vorsorgen?
M.K.: Es gibt drei Möglichkeiten, sich finanziell besser aufzustellen:
Hebel Nr. 1: weniger Geld ausgeben (Geldfresser identifizieren, zum Beispiel mithilfe eines Haushaltsbuches)
Hebel Nr. 2: mehr Geld einnehmen (spätestens alle 2 Jahre neue Gehaltsverhandlungen führen oder als Selbstständiger die Honorare anpassen, Unnötiges veräußern etc.)
Hebel Nr. 3: Geld investieren und vermehren
Hebel Nummer drei ist natürlich nur dann möglich, wenn etwas übrig bleibt. Und natürlich gibt es auch viele Familien, bei denen das nicht so ist. Aber, wenn man die Möglichkeit hat, sollte man renditestark investieren – was natürlich mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Am besten also langfristig anlegen, das heißt mit einer Zeitspanne von mindestens 15 Jahren, weil sich dadurch das Risiko senken lässt. Einen ETF-Sparplan kann man schon mit wenigen Euro anlegen.
S.B.: Das bedeutet aber auch, dass ich mich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen muss – neben Kindern und Job und Haushalt und …
M.K.: Ein Finanzwissen sollte man schon aufbauen, eine Strategie entwickeln und natürlich ist das erst einmal ein bisschen Aufwand, aber wenn man zum Beispiel in einen ETF, einen börsengehandelten Fonds, investiert, ist man breit aufgestellt und hat ein geringes Risiko als bei Einzelaktien. Finanzen haben immer etwas mit Verantwortung, aber auch mit Entscheidungsfreiheit und Macht zu tun und ihre finanzielle Zukunft sollten Frauen selbst bestimmen.
S.B.: Wie viel muss ich investieren, damit es Sinn macht?
M.K.: Pauschal lässt sich das nicht sagen. Aber es gibt die sogenannte 50:30:20-Regel: 50 Prozent für Fixkosten, 30 Prozent für Hobbies und das Leben genießen und 20 Prozent sollten zurückgelegt werden. Und wenn man dann sieht, wie viel das ist, kann man überlegen, wie man investiert. Schon mit 50 Euro lässt sich etwas machen, zum Beispiel 25 Euro aufs Tagesgeld und 25 Euro an der Börse anlegen.
Das Finanzstark-Programm, das Sie anbieten, ist – so sagen Sie – nichts für Frauen, die weniger als 15 Jahre bis zur Rente haben. Schlechte Karten also für Frauen, die der Familie wegen immer in Teilzeit gearbeitet haben und bereits älter sind?`
Der richtige Zeitpunkt, um die Finanzen anzupacken, ist jetzt. Wenn man nur noch weniger als 15 Jahre hat, wird es mit dem langfristigen Investieren schwieriger. Trotzdem kann man etwas tun. Der erste Schritt ist die Kontenklärung bei der Deutschen Rentenversicherung, um die Kindererziehungszeiten anrechnen zu lassen, der zweite eine Beratung bei der Verbraucherzentrale und der dritte Schritt wird sein, Geld zurückzulegen. Je weniger Zeit man bis zum Renteneintritt hat, desto risikoreicher wird das Geldanlegen sein.
Die Finanzmama finden Sie unter
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