Tierisch gut lernen

von | 24. November 2023 | Eltern werden, Eltern sein, Miteinander leben, streiten, wachsen

Schon im Mittelalter lobten Minnesänger die heilsame Wirkung von Tieren. Auch Florence Nightingale und Siegmund Freud erkannten diese positive Einflussnahme und nutzten sie in ihrer Arbeit. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts war es in Amerika üblich, dass Tiere Kinder von ihren Behandlungen im Krankenhaus ablenkten. Heutzutage findet auch bei uns die tiergestützte Pädagogik Anwendung, beispielsweise in einigen Kindertageseinrichtungen der Stadt Nürnberg. Das allerdings ist nicht ganz einfach, denn …

„Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Für die Tiere muss bestens gesorgt sein.“ Eine eigentlich selbstverständliche Prämisse, die leider – so Kerstin Popp-Hufnagl vom Jugendamt Nürnberg – nicht für jeden selbstverständlich ist. „Das Schwierige ist: Es gibt keine verbindlichen Begrifflichkeiten und Zertifizierungen, die Vorgaben müssen wir für die städtischen Einrichtungen selbst machen und da sind wir ziemlich streng. Die Anforderungen an unsere Hund-Mensch-Teams etwa sind sehr hoch. Die pädagogisch qualifizierten Trainer müssen zum Beispiel Verbänden angehören, die verbindliche Standards zum Tierschutz einhalten.“

 

Unter diesen Voraussetzungen bleiben oft im Alltag nur noch wenige Tierarten übrig und die meisten von ihnen brauchen täglich Futter, Reinigung und auch Ansprache – selbst während der Schließzeiten einer Kita. Eingesetzt werden hier daher eher Heuschrecken oder Fische. „Man kann die tiergestützte Pädagogik mit vielen Tierarten durchführen – sogar Schnecken eignen sich und bieten eine tolle Möglichkeit für einen Perspektivwechsel, zum Beispiel indem man einfach mal über den Rasen kriecht.“ Auf diese Weise macht das Tier den Kindern die Welt anders erfahrbar.
Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Tier schafft eine unterstützende Umgebung, die zahlreiche positive Effekte auf die Entwicklung hat. Aufs Selbstbewusstsein, auf die Konzentration, die Kommunikation, die Verantwortung, das Sozialverhalten, die Emotionen … Regeln werden leichter eingehalten, das Umweltbewusstsein geschärft. Vor allem traumatisierte Kinder oder solche mit Verhaltensauffälligkeiten können so ihre sozialen, kognitiven und motorischen Fähigkeiten ausbauen. Begegnen sie hier doch einem Wesen, von dem sie vorurteilsfrei wertgeschätzt und angenommen werden. Dabei ist es erstaunlich, wie selbst die größten Rabauken ganz sanft und zart mit einem Tier umgehen können.

 

Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Mensch von Geburt an eine vorhandene Verbindung zur Natur und zu den Tieren hat. „Und durch diese emotionale Hinwendung können wir mit der tiergestützten Pädagogik letztendlich Ziele viel besser erreichen, weil wir die Kinder auf einer ganz anderen Ebene abholen. Sie sind motivierter, sich auf eine neue Lernsituation einzulassen.“
Es gibt Studien darüber, dass das Streicheln und Beschäftigen mit einem Tier den Menschen beruhigt, der Puls wird niedriger, der Stresslevel sinkt. „Das ist eine wunderbare Ausgangslage, um mich auf etwas zu konzentrieren und wirkt unterstützend auf die Angebote, bei denen wir ja immer im Hinterkopf haben, dass die Kinder etwas Neues erfahren oder einen Zusammenhang erkennen sollen.“

 

 

 

Das Einführen ins Thema spielt hier eine große Rolle – lange bevor die Kleinen überhaupt das erste Mal in Kontakt kommen mit den Tieren. „Wir nutzen Bücher oder auch Filmsequenzen aus Dokus und erarbeiten uns das Thema in Kleingruppen.“ Kerstin Popp-Hufnagl zeigt sich begeistert über die positiven Auswirkungen dieser Arbeit. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist beispielsweise, dass Eltern und Kinder, die zuvor Ängste hegten, nun lernen, diese Ängste zu bewältigen. Dabei ist es jedoch entscheidend zu betonen, dass die Teilnahme stets freiwillig ist. Die Wartelisten aber lang sind.

 

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