Was macht der aktuelle Krieg mit unseren Kindern?

von | 30. Mai 2022 | Miteinander leben, streiten, wachsen

Diese Frage stellen sich wohl viele, die für Kinder und Jugendliche verantwortlich sind. Wie es gelingt, in dieser Zeit das Gleichgewicht zu halten und aufrichtig im Gespräch zu bleiben, dafür hat Schulpsychologin Inga Neubauer vom Institut für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg Denkanstöße und einen Schüler*innen-Brief.

Zunächst Reaktionen zweier Geschwister:

Ronja (10) erzählt von ihrer neuen Mitschülerin, die aus der Ukraine kam: „Sie freut sich so, dass ihr Zweitname Sonja so klingt wie mein Name.“ Das hat die beiden gleich Freundschaftsfäden knüpfen lassen, was wegen der Sprache etwas schwierig ist. Doch in der Klasse gibt es einen Jungen und ein Mädchen, die in Russisch dolmetschen können. Ein Schüler, der sonst eine dominante Rolle in der Klasse spielt, nimmt sich jetzt mehr zurück, weil Sonja Aufmerksamkeit für ihre wechselnden Stimmungen braucht. Um ihre Gefühle nicht weiter zu belasten, wurde ein russisches Poster mit Putin von der Wand des Klassenzimmers entfernt, wo die Kinder Bilder aus all ihren Heimatländern aufgehängt haben.

Ronjas Bruder Finn (15) scheint der Krieg wenig zu beeindrucken. Beängstigen würde ihn die Lage erst, wenn der Krieg nach Deutschland käme, sagt er und beobachtet im Stillen, wie Verwandte und Freunde darüber debattieren und macht sich dazu Gedanken. Seine Mutter meint, er habe viel „Krieg“ zwischen seinen getrennten Eltern mitbekommen, sodass er vielleicht zum Schutz einfach abschaltet bei dem Thema.
Was brauchen Kinder, um die Kriegseindrücke gut bewältigen zu können?

Inga Neubauer: „Kinder sind oft erst besorgt, wenn sie die Sorge der Eltern und des Umfelds wahrnehmen, sie spüren die Atmosphäre, auch wenn nicht darüber geredet wird“. Manche Eltern haben vergangene Fluchtgeschichten. Umso wichtiger sei es, die eigene Betroffenheit zu zeigen und gleichzeitig, „wie man Frieden im Kleinen schaffen … und den Kindern Sicherheit, Raum und Nähe geben kann sowie die Gewissheit: Ich kann was tun.“ Kinder haben von Natur aus gute Bewältigungsstrategien. Frau Neubauer beschreibt es so: „Kinder trauern in Pfützen, kurz und heftig. Danach gehen sie raus und spielen.“

Was brauchen Pädagog*innen und Eltern in dieser Weltlage?

Von staatlicher Seite gibt es schriftliche Empfehlungen wie diese: Hinweise-zum-Umgang-mit-dem-Krieg-in-der-Ukraine_KIBBS.pdf

Dazu gaben die Schulpsycholog*innen einen Brief zur Selbstfürsorge heraus, mit dem Tenor: Ich darf in Krisenzeiten gut zu mir selbst sein, ich muss mich nicht ständig sorgen. „Die Pandemie-Umstände haben uns allen schon so viel abverlangt und nun noch etwas Schreckliches drauf, ein Krieg in kultureller Nähe“. Zwar hat Frau Neubauer zu diesem Thema noch keine Anmeldungen in ihrer Alltagspraxis, doch erlebt vermehrt Störungen mit Depressionen und Ängsten, aus der Corona-Zeit stammend, in der Kinder und Jugendliche durch Online-Unterricht zudem keinen Umgang mit Konflikten üben konnten. „Und für Lehrer*innen ist es anstrengend, sich auf unterschiedlich reagierende Kindern einzustellen – darunter nun Schüler*innen russischer und ukrainischer Abstammung.“

Frau Neubauer empfiehlt besonders: „In dieser schwierigen Zeit alle anderen Belastungen wie Schulprobleme und Alltagsthemen zurückfahren. Stattdessen zuhören, authentisch sein, auf mich selbst schauen, Ausflüge machen, kuscheln, was Schönes zu essen machen.“ Das könnte doch ein Motto für alle Lebenszeiten sein, sich einander zuwenden und gegenseitig das Leben schöner machen.
Rundbrief der Schulpsycholog*innen: Schülerbrief_Selbstfürsorge (nuernberg.de)

 

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Bildnachweis: animaflora adobe stock, Inga Neubauer