Meine englische Familie und Corona

von | 25. Dezember 2020 | Miteinander leben, streiten, wachsen, Sagen Sie mal…

Lesley Slater ist Engländerin und lebt mit ihrem Mann in Nürnberg. Von Zeit zu Zeit schreibt sie im Familienblog über ihr internationales Familienleben.

Vor zwei Monaten kam ich von einer kurzen Reise nach England zurück. Die meiste Zeit war ich bei meiner Mutter zu Hause geblieben, aber einmal traf ich einige Freundinnen im Garten, um über die Coronazeit zu reden.

Die britische Regierung hatte sicherlich sehr langsam reagiert. Während wir zu Hause geblieben waren und die Hände gewaschen hatten, bis sie roh waren, gingen die britischen Leute ins Büro und Rockgruppen gaben noch riesengroße Konzerte.
In der Zwischenzeit befasste sich das Frontpersonal in den Arztpraxen und Krankenhäusern bereits mit den Auswirkungen von Corona. Als der Ministerpräsident erklärte, dass Menschen über 70 Jahre gebeten würden, sich 12 Wochen lang selbst zu isolieren, rief ich meine Mutter an und riet ihr, bei einer Freundin einzuziehen. Zum Glück hat sie es sofort gemacht.
Dennoch, meine Familie war immer noch unterwegs, ohne Masken!
Interessanterweise hatten die grosse Supermärkte ihre eigenen Massnahmen eingeführt, um mit einer grossen Anzahl von Kunden umzugehen, indem sie nicht nur ein Abstand von 2 Metern, sondern auch ein Einwegsystem und eine Begrenzung der Anzahl der im Laden erlaubten Käufer einführten.

Die britischen Menschen verglichen die Coronazeit mit Kriegszeiten. Sie sprachen über Gemeinschaftsinn und „we’re all in this together“. Meine Mutter und ihre Freundin haben eben einmal pro Woche in der Strasse mit den Nachbarn getanzt!

 

Schliesslich wurde das Tragen von Masken auf Geschäfte ausgeweitet, und dennoch protestierten einige Leute und behaupten, das Ganze sei eine Verschwörung zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit.
Die Regeln verändern sich noch immer regelmäßig und es ist schwierig zu merken, was man machen darf und was nicht. Während des zweiten Lockdowns ist meine Mutter völlig allein and isoliert.

 

Das vielleicht empörendste Ereignis des Jahres war das Debakel der Prüfungsergebnisse der Studenten. Sobald die Schulen geschlossen worden waren, gab es keine Möglichkeit mehr, die Prüfungen fortzusetzen. So verbrachten die Lehrer/innen viele Wochen damit, sich die Klassenarbeiten und Tests des vergangenen Jahres anzusehen und schließlich über faire Ergebnisse zu entscheiden.
Viele Studenten hatten sich an der Universität beworben und warteten auf ihre wichtigen Ergebnisse. Leider wurden die Lehrer ignoriert, und die Regierung entschied stattdessen, sich auf einen Algorithmus zu verlassen. Das führte zu einem Aufruhr unter den Jugendlichen und ihrer Lehrer, weil die Schüler von Privatschulen gute Ergebnisse erzielten, während Schüler von staatlichen Schulen, vor allem in benachteiligten Gebieten, viel schlechtere Noten erzielten und ihre Plätze an der Universität verloren. Die Gegenreaktion war so groß, dass die Regierung einlenken mußte und die Noten der Lehrer akzeptiert wurden. Aber für einige war der Schaden bereits angerichtet, und ihre Plätze waren an andere Studenten mit höheren Noten vergeben worden. Kein Wunder, dass so viele Leute deprimiert sind.

Jedoch muss auch etwas Gutes aus schwierigen Zeiten hervorgehen, oder? Mein Mann und ich sprechen jedes Wochenende mit unseren Geschwistern und unseren Kindern auf Whatsapp. Viele Leute haben verschiedene neue Arten der Kommunikation entdeckt und neue Hobbys gefunden. Meine Freundin Jan sagt „Wenn etwas Gutes von Covid kommt, ist es die Gelegenheit, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen.“

 

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Bildnachweis: Rawpixel, Lesley Slater