Kitaprojekt: „Diversität gemeinsam gestalten“
2023 starteten die AWO Nürnberg gemeinsam mit dem Referat für Jugend, Familie und Soziales und dem Jugendamt der Stadt Nürnberg das Projekt „Diversität gemeinsam gestalten“. Das Projekt begleitet Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen langfristig dabei, eine diversitätsbewusste und rassismuskritische Pädagogik zu entwickeln und umzusetzen.
Beim Begriff „Rassismus“ mögen viele spontan an Situationen denken, in denen Personen offensichtlich auf Grund ihrer Hautfarbe beschimpft und angegangen werden. Doch Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung hat so viel mehr Facetten und findet auf unterschiedlichsten Ebenen statt. Oft ist uns das nicht bewusst, und selbst, wenn wir von uns behaupten, offen, tolerant und auf jeden Fall gegen Rassismus zu sein, kann es passieren, dass wir jemanden unabsichtlich verletzen und diskriminieren. Denn niemand ist tatsächlich vorurteilsfrei. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist ein Ziel des Projekts „Diversität gemeinsam gestalten“.
In Kindertageseinrichtungen treffen viele Ebenen der vielfältigen Stadtgesellschaft Nürnbergs zusammen – verschiedene Kulturen, Religionen, Sprachen und soziale Hintergründe, Kinder mit unterschiedlichen körperlichen Fähigkeiten, Regenbogenfamilien, usw. „Das Kita-Personal ist hier sehr gefordert“, sagt Nilgun Massih-Tehrani vom Referat für Jugend, Familie und Soziales. Denn es müsse nicht nur die Kinder im Blick haben, sondern begleite und berate als Erziehungspartner auch immer deren familiäres Umfeld. Das langfristig angelegte Projekt setzt dort an und unterstützt Kita-Teams über mehrere Monate dabei, sich dem Thema Diversität Schritt für Schritt zu nähern, ein Bewusstsein für rassismuskritische Pädagogik zu entwickeln und diese in der Praxis umzusetzen.
Für Barbara Moser von der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen im Jugendamt ist dies besonders wichtig. In Gesprächen mit Kita-Fachkräften zeigt sich häufig, dass eine gewisse Sensibilität für diese Themen bereits vorhanden ist, jedoch herrscht oft Unsicherheit darüber, wie man auf Diskriminierung reagieren oder Ausgrenzung verhindern kann.
Das Konzept stützt sich auf den sogenannten Anti-Bias Ansatz, was wörtlich übersetzt „gegen Vorurteile“ oder „gegen Voreingenommenheit“ bedeutet. Ziel ist es, Kitapersonal, Kinder wie Eltern für das Thema Diskriminierung zu sensibilisieren, Vorurteile abzubauen, den Umgang mit Vielfalt positiv erlebbar zu machen. Die vier Zielsetzungen des Anti-Bias Ansatz wurden so formuliert:
Identity – Alle Kinder in ihren Identitäten stärken
Diversity – Allen Kindern Erfahrungen mit Vielfalt ermöglichen.
Justice – Kritisches Denken über Gerechtigkeit und Fairness anregen.
Activism – Aktivwerden gegen Unrecht und Diskriminierung.
„Diese Ziele bauen aufeinander auf und sollen in der Interaktion mit Kindern, der Zusammenarbeit mit den Familien, in der Gestaltung der Lernumgebung und der Zusammenarbeit im Team umgesetzt und gelebt werden, heißt es in der Projektbeschreibung.
Wie kann das in der Praxis aussehen? Zum Thema „Identity“ habe eine Kita eine Aktion zum Thema Vornamen gestartet und die Eltern dazu ins Boot geholt, nennt Kelly Nadjimi von der AWO ein kreatives Beispiel. Was bedeutet der Name meines Kindes? Wie wird er ausgesprochen? Gibt es eine Geschichte dazu? Dadurch konnten die Kinder in ihrer eigenen Persönlichkeit bestärkt werden und erleben, dass sie und ihr Name Respekt verdienen.
Eine wichtige Frage in Sachen Selbstreflexion und Sensibilisierung sei: „Wo grenzen wir unbewusst Kinder aus?“, erklärt Andrea Kaliner vom Sachbereich Migration und Integration der AWO Nürnberg. Dies betrifft zum Beispiel besonders den Bereich Sprache, denn gerade Worte können zwischen den Zeilen unterschwellige Botschaften transportieren. Das kann ein unbedachter Satz sein, wie „Willst du wirklich noch einen Nachtisch?!“ gegenüber einem übergewichtigen Kind, oder die Frage „Und, wo warst du im Urlaub?“, weil dieser impliziert, dass In-den-Urlaub-Fahren der Normalfall ist. Ein Kind aus einer ärmeren Familie kann dies aber als ausgrenzend empfinden. Besser sei zum Beispiel die Formulierung: „Was hast du Schönes in den Ferien gemacht?“.
Auch Spielmaterialien und Bücher sollten kritisch hinterfragt und aussortiert werden. Die Umsetzungsmöglichkeiten, Diversität in der Kita zu gestalten, sind vielfältig und hängen stets mit der individuellen Situation einer Einrichtung zusammen. Ein gemeinsames Ziel gibt es, wie Andrea Kaliner betont: „Alle mitzunehmen auf dieser Reise, jedes Kind soll sich wohlfühlen in seiner Kita.“
Weitere Informationen zum Projekt sind hier zu finden:
https://padlet.com/ProjektDGG/kita-projekt-diversit-t-gemeinsam-gestalten-entwicklung-eine-a34zpsajme9grxvc
Online-Themenportal mit Arbeitshilfen für Kita-Fachkräfte:
https://www.nuernberg.de/internet/jugendamt/vielfalt.html
Auf jeden Fall vormerken: Ganz aktuell gibt´s auch interessante Vorträge zu dem Projekt auf der ConSozial – schaut gerne vorbei!
Am Mittwoch, den 16.10.2024 wird Kerstin Popp-Hufnagl, im Jugendamt zuständig für die Fachlich Pädagogische Planung, gemeinsam mit Andrea Kaliner als Vertreterin der AWO das Projekt auf dem KITA-Kongress vorstellen. Unter dem Titel „Entwicklung eines Praxiskonzepts für eine diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Pädagogik in Kindertagesstätten“ gibt der Vortrag einen Einblick in das Projekt und beschreibt, wie es gewinnbringend umgesetzt wird.
Informationen zu dem Vortrag gibt´s unter diesem Link:
Am Donnerstag, den 17.10.2024 wird Esengül Karakoc, Leitung des städtischen Kindergarten Heisterstraße, zusammen mit Kerstin Popp-Hufnagl veranschaulichen, wie die Theorie in die Praxis umgesetzt wird: Das Konzept des Kindergarten Heisterstraße als Ort für Familien kommt in der Nürnberger Südstadt in vielen Facetten zum Tragen. Erfahrt im Innovationspark der Messe, wie die „Heisterfamilie“ das Projekt „Vielfalt gemeinsam gestalten“ in Form einer Familienwand umgesetzt hat.
Mehr dazu hier:
Bildnachweis: Copyright: Stadt Nürnberg, Copyright:Stadt Nürnberg
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