„Ein fremdes Kind aufnehmen -??“ „Warum nicht. Könnt ja gut gehn.“

von | 15. Juli 2019 | Miteinander leben, streiten, wachsen, Sagen Sie mal…

„Zeit, ausreichend Platz und genügend Liebe zum Kind sollten Sie haben,“
sagt Susanne Schneider-Flentrup, „und durchaus etwas Abenteuerlust!“ Sie zählt auf, was Erwachsene mitbringen sollten, die sich für die Aufnahme eines Pflegekindes interessieren. Zusammen mit Karin Rösch-Petrikowski arbeitet sie beim Jugendamt Nürnberg in der Fachstelle Vollzeitpflege.Für Kinder, die nicht mehr bei ihren Eltern leben können, suchen sie Menschen, die ein neues Zuhause bieten und das Aufwachsen dieser Kinder begleiten wollen. Das können Paare, auch gleichgeschlechtliche Paare, ebenso sein wie Alleinerziehende.

 

„Pflegemutter oder Pflegevater zu sein, das ist mehr Berufung als Beruf“,

erläutert Karin Rösch-Petrikowski. „Es wird aber gar nicht so schlecht honoriert und bei der Rente werden die Kindererziehungszeiten auch mit angerechnet. Pflegeeltern erhalten – neben dem monatlichen Pflegegeld – Kindergeld und das Pflegekind wird auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Zusätzlich wird jede Pflegefamilie über die gesamte Dauer des Pflegeverhältnisses bei allen Belangen fachlich begleitet. Entscheidend ist aber wirklich, dass Jemand Neugier mitbringt und dass man Kinder gerne mag.“
„Von Pflegeeltern wird auch nicht erwartet, dass sie ewig zuhause bleiben und ihren Beruf aufgeben,“ betont Susanne Schneider-Flentrup. „Klar braucht ein Kind Zeit, um gut anzukommen und sich einzugewöhnen. Aber wichtig ist vor allem, dass es geregelte Strukturen erlebt und Warmherzigkeit erfährt.“

Wissen sollte man, dass die Vollzeitpflege viel interessanter und leichter umzusetzen ist als eine Adoption, obwohl Kinder in beiden Bereichen dieselben Problemstellungen mitbringen können. Pflege- wie Adoptivkinder könnten aus ähnlichen Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Sie hätten alle ihr Päckchen zu tragen, ob es um Alkohol- oder Drogenkonsum der Eltern oder erlebte Gewalt geht. Ob die Eltern zu jung waren, um ihre Verantwortung zu tragen oder Kinder regelmäßig sich selbst überlassen wurden.

„Klar kennen wir Familien, mit denen das Jugendamt schon über Jahre wiederkehrend zu tun hatte,“

sagt Karin Rösch-Petrikowski, “Es kommt aber auch vor, dass wir erst durch eine Polizeimeldung auf eine Kindswohlgefährdung aufmerksam gemacht werden. Dann wird ein Kind meist auch nicht sofort aus seiner Familie herausgenommen, sondern man gibt der leiblichen Familie in der Regel noch viele Chancen. Erst wenn Hilfen und Auflagen an die Eltern nichts/nicht fruchten, dann suchen wir nach einer Pflegefamilie“.

In der Regel blieben dann auch über 95% der Kinder in ihren Pflegefamilien.
„Ich erinnere mich zum Beispiel gerne an eine Familie, die zwei Geschwister aufgenommen hat, deren leibliche Eltern psychisch auffällig und alkoholkrank waren. Die Pflegeeltern mußten in deren Entwicklung viel Höhen und Tiefen mittragen – aber heute machen beide Kinder eine Ausbildung und leben, volljährig geworden, noch immer bei ihnen.“

Drei Pflegekinderdienste unterstützen, gemeinsam mit dem Jugendamt, Pflegefamilien in Nürnberg: SOS- Jugendhilfen Nürnberg-Fürth-Erlangen, die Rummelsberger Dienste für junge Menschen gGmbH und der Sozialdienst katholischer Frauen e.V.
Interessierte wenden sich an einen der drei Träger oder besuchen einen der regelmäßigen Info-Abende. Es folgen Gespräche, mit denen die Eignung als mögliche Pflegeeltern festgestellt wird.
„Sie müssen ausreichend Platz haben, um ein Kind aufzunehmen, dürfen nicht psychisch krank oder auf Transferleistungen angewiesen sein und brauchen die innere Bereitschaft, regelmäßig mit dem Jugendamt zu kooperieren. Da jedes Kind ein Päckchen mit sich bringt sind Offenheit und Toleranz zusätzlich wichtig. Zum Einen, um Loyalitätskonflikte zu vermeiden, da die Kinder in der Regel Umgangskontakte mit ihren Eltern haben. Zum Anderen, weil die Kinder aufgrund ihrer Biografie manchmal Auffälligkeiten entwickeln.“

Was das für Auffälligkeiten sein können?

„Ein Baby, das über Monate hinweg auffällig schrie, litt zum Beispiel unter Entzugserscheinungen in Folge der Drogensucht der Mutter. Manche Pflegekinder zeigen Auffälligkeiten im Essverhalten, sie schlingen alle Mahlzeiten hastig herunter. Andere haben übertriebene Angst davor, allein gelassen zu werden.“

Wichtig sei, dass Pflegeeltern mit ihren Sorgen nicht allein gelassen würden.

Vom Wochenendseminar bis zur Stammtischgruppe, von Ausflügen bis zum Sommerfest gäbe es die Möglichkeit, mit anderen Familien in Austausch zu kommen und sich fortzubilden, auch in Kooperation mit PFAD e.V., dem Pflege- und Adoptivelternverband.
Pflegeeltern hätten auch viele Möglichkeiten, mit zu entscheiden, welches Kind in ihrer Familie einzieht: „Klar können Sie zum Beispiel sagen, sie trauen sich nicht zu, ein älteres Kind aufzunehmen oder ein Kind, dessen Eltern suchtkrank waren“.
Beide Sozialpädagoginnen sind sich einig: Wichtig ist, dass „die Chemie stimmt“ zwischen Pflegekind und Pflegeeltern – das sei wie bei einer Partnerschaft.

Informationen für Pflegeeltern
Das Jugendamt informiert über Vorbereitungstermine, Fortbildungen und Gruppentreffen. Außerdem hat die Fachstelle Vollzeitpflege Informationen für Pflegefamilien und speziell noch einmal für Pflegefamilien von Flüchtlingen zusammen gestellt:

Jugendamt – Fachstelle Vollzeitpflege
Reutersbrunnenstraße 34
90429 Nürnberg
Telefon: 09 11 / 2 31-41 00

Alle wichtigen Infos für Interessierte gibt es hier:
https://www.nuernberg.de/internet/jugendamt/vollzeitpflege.html

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