Der Sabbatabend – das ist eine schöne Atmosphäre für die Familie!

von | 27. März 2020 | Miteinander leben, streiten, wachsen, Sagen Sie mal…

 

Immer wieder stellen wir im Familienblog auch Nürnberger Familien vor – heute die Familie von Yana Tsoyman:Das Interview fand schon vor den Ausgangsbeschränkungen im Rahmen der Coronakrise statt!

Yana Tsoyman kommt ursprünglich aus Odessa und ist, als sie 16 Jahre alt war, mit ihrer Familie nach Israel ausgewandert. Um ihr Studium zu beenden, kehrte sie einige Jahre später in die Ukraine zurück: „Dort fand ich meinen späteren Ehemann wieder, den ich eigentlich schon als Kind kennen gelernt hatte.“
Sie hat Grundschulpädagogik und Englisch studiert, ihr Mann ist Maschinenbauingenieur. Beide leben seit etwa 14 Jahren in Deutschland.

Mittlerweile zählen zur Familie vier Jungen im Alter von 14, 13, 8 und zweieinhalb Jahren.
„Mädchenleben – das ist für mich wie ein anderer Planet!“ lacht Yana. „Die beiden Großen besuchen das Gymnasium, der dritte geht in die zweite Klasse und der Kleine kommt im Herbst in den evangelischen Kindergarten in unserer Nähe. In den Augen unserer Verwandten in der Ukraine sind wir eine kinderreiche Familie – in der Betrachtung unserer israelischen Verwandten eher eine kleine Familie!“

Yana begann, nach zwei Jahren und der Geburt der ersten beiden Söhne, Deutschkurse zu besuchen. Sie lernte schnell Deutsch und arbeitet als Dozentin für Englisch und Hebräisch.
„Aktuell gebe ich auch einmal wöchentlich Deutsch-Unterricht „55+“, für ältere Menschen in der Jüdischen Gemeinde. Viele von ihnen wissen sich nicht richtig auszudrücken und nehmen das Angebot sehr gerne an!“

Yanas Ehemann konnte mit seiner Qualifikation keine adäquate Beschäftigung finden und machte eine Ausbildung zum Fahrschullehrer: „Erst arbeitete er als Angestellter und seit eineinhalb Jahren betreibt er seine eigene Fahrschule“, berichtet sie stolz.

„Mein Mann kommt aus der Ukraine, besitzt aber einen deutschen Pass, ich bin israelische Staatsbürgerin: Was für ein Papierkrieg diese Hochzeit doch war!“, erinnert sich Yana. „Unsere Kinder sind selbstverständlich deutsche Staatsbürger – aber ich möchte auch, dass sie sich ihres jüdischen Glaubens bewusst sind und  jüdische Traditionen in der Familie erleben.

Wir sind aber keine ausgeprägt religiöse Familie. Das heißt zum Beispiel, dass wir nicht strikt koscher essen. Allerdings koche ich kein Schweinefleisch, auch wenn die Kinder selber entscheiden, ob sie es außer Haus, zum Beispiel bei Schulveranstaltungen, essen möchten.“
Yana würde das Familienleben eher als traditionell bezeichnen: „Wenn alle zuhause sind, feiern wir gerne den Sabbatabend und mögen es, alle im Kerzenschein um den Tisch zu sitzen, auf dem dann Wein steht – für die Kinder Traubensaft! – und der spezielle Hefezopf, der dazu gehört. Die Kinder helfen schon gern bei der Zubereitung des Hefeteigs mit. Das ist, alles in allem, einfach eine schöne Atmosphäre“

„Wir feiern alle Feste in der Synagoge mit und erzählen über die jüdischen Feiertage. Mir ist das sehr wichtig, denn als jüdische Kinder in der Sowjetunion haben wir sehr wenig über unseren Glauben erfahren.“
Ihre älteren Söhne besuchten in der 1. und 2. Grundschulklasse den Ethikunterricht, danach einmal pro Woche für zwei Stunden den jüdischen Religionsunterrichtet in der Israelitischen Kultusgemeinde. Die dort erteilten Noten finden sich auch im Schulzeugnis wieder.

Freitags gehen die jugendlichen Kinder ins „Jugendzentrum“ der Gemeinde. „Die Kinder sind sehr unterschiedlich von Temperament und Charakter. Während der Älteste sehr ernsthaft ist, stellt der Zweitälteste gerne alles mit einem „Warum?“ in Frage. Aber den Sabbat feiern alle gern mit der Familie.“

Vor wenigen Wochen fand „Purim“ statt, ein ausgelassener jüdischer Feiertag, der auf eine abgewendete Bedrohung des jüdischen Volkes dank der Königin Ester zurückgeht, die in der Thora geschildert wird. Alle zusammen besuchen verkleidet den Gottesdienst in der Synagoge, bevor es bei einem Fest in der Gemeinde fröhlich zugeht… und bei den Erwachsenen auch viel Alkohol getrunken werden darf.Es gibt ein dreieckiges Gebäck, die Hamantaschen, die mit Marmelade gefüllt sind (man sieht sie oben im Bild).

Wie geht es der Familie angesichts der Bedrohungen, denen jüdische Gemeinden und Mitbürger in letzter Zeit gehäuft ausgesetzt waren?
Yana denkt kurz nach: „Bedroht fühlen wir uns im Alltag nicht… aber natürlich macht es uns unangenehme Gefühle, aus der Presse von Anschlägen zu erfahren. Meinen Mann und mich holt eher die Erinnerung an unsere sowjetische Kindheit ein, in der die Juden unterdrückt wurden.“

Yana begleitet mich zur Tür der Fahrschule ihres Mannes und winkt zum Abschied, nach einem Blick auf die Uhr: Der Tag einer engagierten Mutter und Lehrerin, der gut durchgeplant werden muss.

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Bildnachweis: Doris Reinecke