Machen Sie sich bewusst: Wofür tun wir das?

von | 9. April 2020 | Miteinander leben, streiten, wachsen, Sagen Sie mal…

Die meisten Interviews, die wir für den Familienblog führen, finden in diesen Tagen telefonisch statt – so auch das mit Evelyn Kretzschmar.
Sie koordiniert in Nürnberg das „Bündnis gegen Depression“ und arbeitet als Diplom-Sozialpädagogin für die Tagesklinik und die Psychiatrische Institutsambulanz am Klinikum.

„Im Moment ist manches für unsere Arbeit im Bündnis gegen Depression im Ungewissen – da geht es uns so wie vielen anderen Institutionen“,  sagt Evelyn Kretzschmar, „ wir wissen nicht, ab wann wir wieder Fachtage und andere Veranstaltungen anbieten können. Wir arbeiten auch an der Idee, online stärker präsent zu sein – zum Beispiel mit Interviews und Kurzvorträgen in You-Tube-Videos. Das kann aber auf lange Sicht kein Ersatz für die Arbeit von Angesicht zu Angesicht sein!“

Tagesklinik und Psychiatrische Institutsambulanz sind geschlossen – aber Patienten werden auch weiterhin telefonisch begleitet: „Wir können auch weiterhin neue Patienten annehmen – vor allem Menschen mit einer psychiatrischen Grunderkrankung, bei denen es um Medikamentengaben oder therapeutische Interventionen geht. Man kann sich selber melden und wir „filtern“ dann am Telefon, ob ein längerer Telefonkontakt vereinbart wird oder wir zuständigkeitshalber besser an den Krisendienst Mittelfranken verweisen.“Wer sich an die Psychiatrische Institutsambulanz wendet, muss das 18. Lebensjahr vollendet haben: „Ansonsten wenden sich Menschen fast jeden Alters an uns“.

Nicht zu wissen, wann die Corona-Krise vorbei ist, das beschäftigt viele Klientinnen und Klienten. Evelyn Kretzschmar zählt spontan einige Tipps auf für Menschen, die sich aktuell depressiv fühlen:

  • „Mir geht es schlecht: Das ist auch in Ordnung in so einer Zeit! Viele Menschen leiden gerade unter Ängsten und Anspannung. Kämpfen Sie nicht dagegen an!
  • Sprechen Sie darüber: Es ist aktuell sowie ein Thema, über das Jeder sprechen möchte. Aber hüten Sie sich vor zuviel Input zu Corona! Morgens und abends Nachrichten dazu auf einem seriösen, öffentlich-rechtlichen, Sender: Das reicht!
  • Verbringen Sie nicht den Tag auf dem Sofa: Geben Sie ihm Struktur! Stellen Sie sich täglich eine Aufgabe – sei es die Steuerklärung oder das Fensterputzen. Tun Sie sich täglich etwas Gutes – zum Beispiel einen Film ansehen, ein gutes Buch beginnen.
  • Seien Sie für Andere da, auch das tut uns gut: Rufen Sie Bekannte an und fragen, wie es Ihnen geht! Können Sie eventuell ehrenamtlich nützlich sein?
  • Machen Sie sich bewusst: Wofür tun wir das? Ausgangssperren sind zum Beispiel leichter durchzuhalten, wenn wir wissen, wozu sie gut sind.“

Noch etwas ist besonders wichtig, meint Evelyn Kretzschmar: „Freuen Sie sich auf ein kleines Projekt NACH dieser schweren Zeit! Wo möchten Sie hingehen? Wen möchten Sie einladen?“

In diesem Sinne: Sorgen Sie gut für sich und Ihre Familie!

Krisendienst Mittelfranken:
http://www.krisendienst-mittelfranken.de

Bündnis gegen Depression Nürnberg:
https://www.deutsche-depressionshilfe.de/regionale-angebote/nuernberg/start

Telefonkontakt zur Psychiatrischen Institutsambulanz:
0911 3986954

Infos zur Corona-Krise:
https://www.nuernberg.de/internet/stadtportal/coronavirus.html

 

1 Kommentar

  1. Es tut mir wirklich leid, aber diese wertvollen Tipps können für meine Patient*innen, die aktuell hoch belastet sind, zum Teil auch ein Hohn sein. Alle Strukturen und Strategien brechen gerade weg, ob soziale Kontakte, Sportgruppe, Kreativkurs oder Ehrenamt, und die Unterstützungssysteme machen Pause. Was bleibt, ist meine psychotherapeutische Praxis, manchmal der einzige Termin in der Woche, zu dem noch die Wohnung verlassen wird. Natürlich beachte ich Abstand und Hygieneregeln, zum Teil arbeite ich per Video. Dass ich ohne Mitstreiter*innen dastehe, weil einfach dicht gemacht wird, kann ich nicht immer nachvollziehen. Es handelt sich für diese Menschen um dringend notwendige Behandlungen.

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Bildnachweis: Foto Doris Reinecke