Jetzt ist er da, der Herbst, auf den wir uns gedanklich schon den ganzen Sommer lang vorbereitet haben. Unser Großer ist inzwischen in der dritten Klasse. Allein die Umstellung vom jahrgangsgemischten Unterricht zum klassischen Frontalunterricht fand er teilweise irritierend und unübersichtlich. Er war die selbstständige Arbeit mit dem Wochenplan gewohnt und die Hausaufgaben, die nun für jeweils zwei Tage vergeben werden, erfordern eine ganz neue Herangehensweise von ihm.

 


Ich erlebe mich als Mutter eines Schulkindes inzwischen schon eine ganze Weile und ertappe mich noch immer dabei, wie ich mich gegen Veränderungen sträube. Aber wie üblich überrascht mein Sohn mich damit, dass es nur wenige Tage dauert, bis er sich, wie selbstverständlich, an die neuen Gegebenheiten anpasst und sie bestmöglich nach seinen eigenen Bedürfnissen gestaltet. Wow, denke ich mir da und habe sofort ein Bild von ihm vor Augen, wie er sich, anstatt über das offene Fenster zu schimpfen, in seine dicke Winterjacke mummelt, die er schon nach dem ersten kalten Morgen wieder hervorgeholt hat.
Ganz anders: ich. Ich liebe frische Luft! Zu Kinderladenzeiten habe ich mich immer dafür engagiert, die Qualität der Raumluft durch regelmäßiges Lüften zu pflegen. Warum? Weil die Kinder alle andauernd erkältet waren!

 

 

Trotzdem war ich beinahe schockiert beim Gedanken an Schülerinnen und Schüler, die den Winter sitzend bei offenem Fenster in den Klassenräumen verbringen sollen. Monatelang war der drohende Herbst immer wieder Thema in der öffentlichen Berichterstattung und ja, es scheint, als wäre er nun doch sehr überraschend über uns hereingebrochen, während für den Schulbetrieb noch keinerlei sinnvolle Lösungen entwickelt worden sind. Dieser Frust ist für mich natürlich spürbar. Aber auch die Tatsache, dass es eine Aufgabe von dieser Dimension in meinem politisch bewussten Leben noch nicht gegeben hat. Und so mag es uns fast allen gehen.

 

 

Zurück zu unseren Kindern: Werden sie nun gezwungen sein, sich im Schulunterricht zu erkälten? Ich denke nicht! Kälte schwächt das Immunsystem zwar, aber Heizungsluft trocknet die Schleimhäute aus und erhöht so das Infektionsrisiko. In schlecht gelüfteten Räumen fühlen sich Erkältungsviren besonders wohl. Es könnte also gut sein, dass sich diese Effekte gegenseitig aufheben, oder?
Wenn das regelmäßige Lüften der Klassenzimmer die Schutzmaßnahme für den Moment sein soll, dann ist der erste Schritt für uns Eltern, kreative Lösungen zu entwickeln, mit deren Hilfe Unterricht unter diesen Bedingungen gut stattfinden kann. Eine Thermoskanne mit Tee zum Beispiel, gesunde Ernährung, eine Kuscheldecke, die im Klassenzimmer deponiert wird. Gespräche mit den Lehrerinnen und Lehrern darüber, wie auf frierende Kinder eingegangen wird. Wie wäre es mit einem Treppenlauf? Kniebeugen? Hampelmännern? Auch wenn das möglicherweise den Unterricht stört? Es braucht sicher ganz neue Konzepte, von Projektgruppen für ältere Kinder bis hin zu mehr Bewegung im Klassenraum. Das sind vermutlich Maßnahmen, von denen die Schule auch in Zukunft noch profitieren wird. Wir können uns als Eltern gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern dafür stark machen, die Lösungen zu finden, die von Lehrkräften auch eigenverantwortlich umgesetzt werden können. Wir haben doch ein gemeinsames Anliegen und wollen, dass die Kinder gern zur Schule gehen und das Lernen Freude macht. Miteinander, nicht gegeneinander, kann uns das gelingen.

 

Für uns ist der Präsenzunterricht an der Schule eine wichtige, strukturgebende Größe im Alltag. Als Familie gehören wir zu den wenigen, die von der Zeit der Schulschließung und des Onlineunterrichtes profitiert haben. Dennoch sorgt ein vorhersehbarer wöchentlicher Unterrichtsablauf für Stabilität im sozialen Leben unseres Sohnes und gibt uns Erwachsenen eine gewisse Planungssicherheit. Ich hoffe, dass wir den Winter ohne eine flächendeckende Schließung der Schulen überstehen. Und ich wünsche mir, dass wir alle mit Disziplin und Zusammenhalt dafür sorgen, dass auch die schwächsten in unserer Gesellschaft sicher und gesund durch die Herausforderungen dieser Zeit kommen. Freiheit ist ein Begriff, der dieser Tage arg strapaziert wird und ich finde, es lohnt sich, über seine Bedeutung nachzudenken. Folgendes Zitat von Nelson Mandela hilft mir dabei:

»Frei sein bedeutet nicht nur, seine eigenen Fesseln zu lösen, sondern ein Leben zu führen, das auch die Freiheit anderer respektiert und fördert.«

 

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