Alles, außer Fußball!

von | 14. Dezember 2018 | Freizeit!!!, Miteinander leben, streiten, wachsen

Wer Kinder hat weiß: Spätestens, wenn die Kindergartenzeit vorbei ist, braucht es einen Rahmen, in dem der Nachwuchs seine überbordende Energie ausleben kann. Ich hatte da so meine Vorstellungen von verschiedenen Sportarten, die für unseren Sohn in Frage kommen würden. Das waren eigentlich alle, außer Fußball. Ambitionierte Nachmittage auf dem Basketballplatz und beim Tischtennis hatten uns allen so viel Spaß gemacht, dass ich mir meiner Sache ziemlich sicher war. Als der Große dann schließlich doch mit einem Freund zum Probetraining von dessen Fußballverein ging, wähnte ich mich daher in Sicherheit. Umso größer der Schock, als mein begeisterter, verschwitzter Junge noch vor Ort darum bettelte, umgehend auch Teil der Mannschaft zu werden.

Ausgerechnet Fußball! Das hieß für mich, jedes Wochenende zu unmenschlich frühen Zeiten an zugigen Plätzen zu stehen. Übereifrige Eltern würden dort neben mir stehen und ihre verträumten, noch halb schlafenden Kinder von der Seitenlinie aus anpöbeln, um Höchstleistungen aus ihnen heraus zu pressen. Dabei würde ich versuchen, nicht unhöflich darauf zu kontern und mir die Lippen an ungenießbarem Kaffee aus Pappbechern verbrühen. Aber am unheilvollsten erschien mir die Vorstellung meiner beiden Männer, die fortan jedes Profispiel im eigenen Wohnzimmer mit Stadionparolen und fachkundigen Kommentaren verfolgen würden. Wäscheberge. Panini Sammelhefte. Stadionbesuche. Alles gar nicht meine Welt.

 

Foto: Rawpixel

 

Mein Mann sah das von Anfang an ganz anders. Er spielt heute noch gern, wenn auch nicht im Verein. Fußball, das ist für ihn ein wunderbares Spiel, eine Förderung der Sozialkompetenzen, Sport an der frischen Luft und die beste Voraussetzung für interkulturelle Begegnungen. Und obwohl ich mit meinen Überzeugungen auf ziemlich festem Boden zu stehen glaubte, waren seine Argumente für mich nicht vom Tisch zu wischen. Der Dackelblick unseres Sohnes tat sein Übriges und schon vier Wochen später fand ich mich eines Sonntags um sieben Uhr fünfundvierzig in einer Sporthalle am anderen Ende der Stadt wieder. Der Kaffee war gar nicht mal so schlecht und tatsächlich lag eine energiegeladene Stimmung in der Luft. Die munteren Nachwuchssportler wuselten nur so durch die Gegend und die Spiele waren so mitreißend, dass ich mich nur eine Stunde später jubelnd an der Seitenlinie wiederfand. Sieger fielen sich kreischend in die Arme, Tränen auf der Seite der Verlierer wurden von den Mannschaftskolleginnen- und Kollegen getrocknet und waren schon kurz darauf beim Teilen der Süßigkeiten vergessen. Pöbelnde Eltern oder Trainer habe ich im ganzen letzten Jahr nur sehr selten gesehen. Zu den Spielen und Turnieren fahren die Männer inzwischen meist ohne mich. Ich amüsiere mich dafür über die Reiseberichte mit Heimatkundeanteil. Die Suche nach dem richtigen Sportplatz fürs Auswärtsspiel gleicht oft einer Schnitzeljagd durch Weltstädte wie Woffenhausen, Kleinschwarzenlohe oder Kottensdorf, die unser Sohn sonst vielleicht nie gesehen hätte.

Heute ist unser Sohn fest in der Mannschaft verwurzelt. Auch in den Pausen auf dem Schulhof und nachmittags im Hort gibt es kaum ein anderes Thema. Sein Papa hat ein neues Hobby gefunden und unterstützt den Verein jetzt als Trainer. Ich muss zugeben, meine Perspektive auf das vermeintliche Gebolze hat sich um 180 Grad gedreht. Ehrlich gesagt, staune ich jetzt, was für eine Weltsprache dieses Spiel ist. Egal wo du bist, ob auf der Wiese im Park, im Freibad oder am Strand: wenn du einen Ball schießt, kommt er von irgendwem immer wieder zurück.

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Foto: Doris Reinecke

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