Abenteuer auf sechs Reifen

von | 13. Mai 2019 | Freizeit!!!, Miteinander leben, streiten, wachsen

Der Frühling ist endlich da! Mit ihm wächst unser Bedürfnis nach draußen zu kommen und ein bisschen zu verwildern! Da trifft es sich gut, dass Schulferien sind und wir in den ersten Urlaub des Jahres starten.
Wir haben eine Radtour von Rosenheim bis Passau auf dem Inntal-Radweg geplant. Neben unseren Fahrrädern haben wir einen Anhänger, ein Zelt, Isomatten und warme Schlafsäcke dabei. Dicke Kleidung, gute Bücher, leckerer Proviant und eine große Portion Optimismus dürfen auch nicht fehlen, weil der Wetterbericht Regen ankündigt.

 

Am Ostermontag geht es mit dem Zug nach Rosenheim,

 

wo wir bei Freunden übernachten und uns richtig ausschlafen, bevor es los geht. Die Wolken werden dünner, pünktlich zum Tourbeginn kommt die Sonne heraus. Wir finden die Fährte zum Radweg und bald darauf auch unseren Rhythmus. Der Jüngste von uns ist sieben Jahre alt und fährt mit seiner 21-Zoll Bereifung einen Schnitt von fünfzehn Stundenkilometern. Der Wind fährt uns durchs Haar, wir bewundern die fleissige Arbeit der Biber und singen die ersten Lieder. Wir haben unser Tagesziel fast erreicht, da überrascht uns die erste unbezwingbar erscheinende Steigung. Der Held an meiner Seite zieht einen völlig überladenen Fahrradanhänger mit seinem Rennrad zwei Drittel des Berges hoch. Der Kleine steht derweil verzweifelt neben seinem Rad und fragt mich kopfschüttelnd:
„Was? Wie macht der das? Der ist ja schon fast oben!“
Ich zucke mit den Schultern und sage pathetisch:
„Was die Muskeln nicht auf Anhieb schaffen, dass muss man mit seinem Willen machen! Ach ja, wütend werden ist auch ganz hilfreich…“

Neben mir straffen sich zwei schmale Schultern, ich höre noch ein Schnauben, dann schiebt mein Sohn in einem Affenzahn sein Fahrrad an mir vorbei. Völlig außer Puste hole ich ihn irgendwo auf der Hälfte des Berges wieder ein. Meine schweren Packtaschen machen mir das wieder aufsteigen ohnehin unmöglich. Oben angekommen erwartet uns eine Truppe Rentner, die das Schauspiel mit angesehen haben und unseren Kurzen bejubeln und beglückwünschen. Das ist natürlich der Auftakt für viele filmreife Bergetappen im Verlauf unserer Reise und motiviert unseren Jungen ungemein!

 

Im idyllischen Örtchen Wasserburg …

 


.. finden wir den besten Dönerimbiss der Stadt und sind sicher, nie etwas Besseres als diese Falafel und Fritten gegessen zu haben! Wir rollen nur wenig später mit vollen Bäuchen aus der Stadt heraus, klettern einen weiteren Berg hinauf und finden schließlich einen Schlafplatz an einer Steilklippe im Wald. Unter uns schmiegt sich das Städtchen an den Hang und wir Eltern fantasieren von einem romantischen Abend vor dem Zelt. Tatsächlich schlafen wir schon bei der Gutenachtgeschichte für den Jüngsten ein.

Der nächste Morgen beginnt schon früh mit Vogelgezwitscher und Cowboykaffee. Wir genießen ein ausgedehntes Frühstück und freuen uns, dass niemand Muskelkater oder sonstige Blessuren davongetragen hat. Unvorsichtiger Weise werfen wir einen Blick auf das Höhenprofil der kommenden Etappe: die Strecke von Wasserburg bis Mühldorf zeigt etliche fiese Buckel. Es scheint kaum möglich, die Strecke mit Kind und Hänger an einem Tag zu bewältigen. Wir kämpfen,fluchen und wir staunen auch immer wieder über schöne Flecken. Davon gibt es hier leider nicht viele, weil wir viel am Inn-Kanal entlangfahren. Nachahmern sei an dieser Stelle eine andere Route empfohlen… Kurz hinter Gars finden wir einen Angelverein, auf dessen Wiese wir unser Zelt aufschlagen dürfen. Auch an diesem Abend landen wir alle schnell in den Schlafsäcken.

 

Nachdem wir Mühldorf noch vor uns haben,

starten wir voll Elan in den dritten Tag unserer Tour. Jetzt sind wir wieder am Fluss und die Landschaft ist viel schöner. Hier gibt es statt der Schotterstrecken auch vermehrt asphaltierte Radwege und nach so vielen Kilometern im Sattel freuen wir uns mehr darüber, als ich gern zugeben möchte. In Mühldorf gibt es eine wunderbare Pizzeria mit schönem Biergarten, bei der kein Wunsch unerfüllt bleibt. Sogar die sechs leeren Literflaschen für Wasser werden uns aufgefüllt. Eigentlich wollen wir an diesem Tag bis Braunau fahren. Es ist seit Dienstag früh sehr heiß und sonnig und als wir an den Peracher Badesee kommen, bleiben wir nach einem Sprung ins kühle Nass einfach dort. Es gibt noch Eis und kaltes Radler am Kiosk, die Wildgänse wandern grasend mit ihren Küken über die Wiese und es gibt Unmengen an Steinen, die wir mehr oder weniger gekonnt über das Wasser springen lassen. Es ist herrlich und heute schaffen wir Erwachsenen es endlich, mit einem Bier vor dem Zelt zu sitzen und die laue Nacht zu genießen.

 

Als wir am nächsten Morgen aufwachen …


.. ist der Himmel bedeckt und ein frischer Wind zaust Zelt und Gaskocher. Der Kaffee braucht über eine halbe Stunde, was nicht zur Verbesserung der Stimmung beiträgt. In die Schlafsäcke gemummelt versuchen wir ein Frühstück mit Seeblick, verkriechen uns aber schließlich mit kalten Füßen und Fingern doch lieber ins Zelt. Wir ahnen es bereits: dies wird der härteste Teil der Reise. Die Wetterprognose ist denkbar ungünstig, denn am Nachmittag soll es stark regnen und stürmen. Wir ändern unseren Plan und beschließen, den letzten Teil bis Passau mit dem Zug zu überbrücken. Allerdings sind die Zugverbindungen nicht wirklich zufriedenstellend, weshalb wir uns mutig auf den Weg ins über 70 Kilometer entfernte Pocking machen, um noch am Abend in Passau zu landen.

Zum Glück führt uns die Strecke über Nebenstraßen und asphaltierte Radwege, auf denen der Große den Kleinen immer wieder anschiebt. Das Mittagessen fällt aus, stattdessen gibt es händeweise Nüsse in den Trinkpausen. Uns tut alles weh, wir fluchen und schimpfen über das Wetter und schätzen dabei den Rückenwind, der uns stetig vor sich herschiebt, viel zu wenig. Trotz der Erschöpfung ist die Stimmung gut und es gelingt uns noch, Witze zu machen und einander anzufeuern. Der Jüngste schreit auf, weil sein Radcomputer zum ersten Mal in seinem Leben 200 Kilometer Strecke anzeigt und stoppt für ein Siegerfoto.

Kurz vor Pocking ist es dann soweit. Der Himmel ist dunkelgrau, wir biegen auf einen Feldweg ein und haben jetzt starken Gegenwind. Zum Fluchen sind wir schon zu müde, wir kullern endlich auf den Bahnhofsplatz, steigen in den Zug und sehen nur Minuten später die ersten Regentropfen ans Fenster klatschen.

 

Im strömenden Regen kommen wir bei dem winzigen Hotel in Passau an,

das wir in einer unserer Pausen gefunden haben. Uns erwartet ein schönes, schlichtes Zimmer in einem verwinkelten Haus aus dem 16. Jahrhundert. Unsere Räder hat die Wirtin für uns in einem Lagerzimmer untergestellt, der Hänger übernachtet ganz zwanglos im Foyer. Wir haben seit Tagen nicht geduscht und sogar der Kurze freut sich darauf, den Staub und Schweiss der Reise abzuwaschen. Über den großen Fernseher freut er sich auch! Wir beenden unsere Radtour nach 271 aufregenden Kilometern unendlich stolz, frisch gewaschen in sauberen Laken, mit einem Pizzakarton auf dem Schoß und „Findet Nemo“ auf dem Disney Channel.

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Bildnachweis: Stephanie Mehnert