Zweite Heimat Nürnberg
„Eigentlich ist es ein großes Glück, dass wir hier gelandet sind!“
sagt Kristina Jalowa, die in Nürnberg als Fotokünstlerin arbeitet. Sie – im Foto in der Mitte sitzend – hatte es sich nicht ausgesucht, mit ihrer Familie nach Nürnberg zu gehen, als sie 2015 aus der Ukraine floh. „Hier haben wir unsere zweite Heimat gefunden – Freunde, kreative Arbeit und Sicherheit!“
Zur kreativen Arbeit von Kristina Jalowa gehört unter anderem die Mitarbeit am Kulturhauptstadtbewerbungsbuch der Kinder, das die Stadt Nürnberg mit Kooperationspartnern und vielen Kindern gestaltet hat. Im Internationalen Frauencafé und mit der Villa Leon arbeitete Kristina mit geflüchteten Frauen.
Ein Höhepunkt ihrer Arbeit in Nürnberg ist die Fotoausstellung „Kopfsache“, entwickelt mit der Stylistin Marjana Stavnycha und zahlreichen Nürnbergerinnen mit Migrationshintergrund:
„Es fing damit an, dass ich die Inspiration hatte, eine Frau im Stil von Frida Kahlo zu fotografieren – stolz, farbenprächtig, mit folkoloristischen Motiven“.
Marja und Kristina bastelten für die Bildinszenierung einen aufwändigen Hintergrund.
„Und als das Bild fertig war, dachten wir uns: Eigentlich zu schade, damit nur ein Bild zu machen!“
Schritt für Schritt entstand die Idee zu „Kopfsache“ –
einer Modenschau und einer Fotoausstellung, die die Vielfalt von Frauen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt aufzeigt: „Nürnberg ist bunt – und diese Frauen sind alle hier, auch wenn sie aus unterschiedlichen Motiven hergekommen sind. Du kannst an den Bildern nicht ihren Status ablesen – ob sie Studentin oder Arbeiterin sind, sie alle haben ihre eigene Geschichte und ihre Probleme zwischen Arbeit und Familie“.
Angesprochen wurden Freundinnen oder Frauen, die Kristina zum Beispiel bei einem Konzert, auf Instagram oder in der U-Bahn auffielen.
„Sie alle strahlen große Frauenkraft, Stolz und Weiblichkeit aus und meine Fotos versuchen, diese Ausstrahlung zu `packen´.
2019 fand die Kopfsache – Modenschau Auf AEG statt, ein eindrucksvolles Event am Ende eines anstrengenden Projektes: „Die meisten Frauen waren gerne bereit, Model zu sein, aber nicht dazu, von vorn bis hinten mitzuarbeiten!“ Von daher wird es auch keine Wiederholung der Veranstaltung geben.
Aber die Fotoausstellung konnte schon an mehreren Orten bewundert werden: Auf AEG, im Kulturhauptstadtbewerbungsbüro und in der Roten Galerie der Karl-Bröger-Gesellschaft. Bis zum 7.4.20 gastiert sie im Ausstellungsbereich der Evangelischen Stadtkirche Schwabach – passend zum Internationalen Frauenmonat März.
Modefotografie ist Kristinas große Leidenschaft
seit dem Studium an der Universität für Kunst und Kultur in Kiew. Ihre Frau Tanja war in Odessa Inhaberin eines Kaffeehauses. Die Beiden litten sehr unter der Diskriminierung ihrer Lebensform, – zwei Frauen und ein kleines Mädchen – die darin gipfelte, dass Tanjas Auto angezündet wurde. Das gab den Ausschlag dafür, dass die Familie Hals über Kopf ihre Sachen packte und kurzerhand zu einem Onkel in Berlin flüchtete, im Glauben, er könnte sie in seinem dortigen Café beschäftigen.
Das Paar musste lernen, dass ohne erneute Antragstellung im Heimatland nur der Weg über einen Asylantrag eventuell ein Bleiberecht sichern konnte. So begann eine bange Zeit der Befragungen und der Suche nach Unterstützung, des Umziehens und des Wartens, erst im Erstaufnahmelager Zirndorf, dann in Nürnberg.
Kristina erzählt, wie erleichtert alle drei sind, bleiben zu dürfen und die Möglichkeiten zu Weiterbildung, Engagement und Arbeit nutzen zu können.
Über das Projekt „BLEIB“ des Integrationsrates konnten die beiden Frauen einen Deutschkurs für Geflüchtete mit akademischem Hintergrund an der Universität Erlangen-Nürnberg besuchen.
Sie fanden viele neue Freunde und engagieren sich bei „Quarteera e.V.“, einem Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, Homophobie in der russischsprachigen Community in Deutschland zu bekämpfen und russischsprachige Homo-, Bi- und Transsexuelle in Deutschland zu vernetzen.
Tanja hat ein zweites Studium begonnen, Kristina widmet sich dem Fotografieren und die inzwischen neunjährige Tochter besucht die Schule: „In der ersten Klasse wurde sie anfangs oft ausgefragt, warum sie zwei Mamas hat, das war lästig. Aber jetzt fühlt sie sich sehr wohl.“
Die Tochter spricht nicht nur fließend Deutsch, sondern versteht auch gut Fränkisch, was für Kristina immer noch sehr schwierig ist: „Einmal hat meine Tochter bemerkt, dass ich beim Belauschen eines fränkischen Gesprächs die Augenbrauen hochzog, denn ich verstand nichts! `Mama´, hat sie zu mir gesagt, `es ist ganz einfach: Du mußt einfach an jedes Wort ein –la anhängen, das ist Fränkisch!´ “
Hier kann die Kopfsache – Ausstellung bis zum 8.4. besichtigt werden:
https://www.stmartin-schwabach.de/kopfsache-2020
Über die Modenschau Auf AEG gibt es ein Video auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=Du3LpsozzTg
Wer mehr über Quarteera wissen will, folgt diesem Link:
http://www.quarteera.de/
Bildnachweis: K Jalowa
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