Psychische Krise vor oder nach der Geburt? – Das Zentrum Kobergerstraße hilft
Was, wenn Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft alles andere als Zufriedenheit, Stärke und Glück schenken? Wenn doch alles anders kommt als erwartet? An wen können sich Mütter – und auch Väter – wenden und wie wird ihnen geholfen? Darüber berichten Annette Frisch (Dipl.-Sozialpädagogin FH) und Lorena Millich (M.Sc. Psychologin) von der Schwangerenberatungsstelle Zentrum Kobergerstraße in folgendem Interview.
Frau Frisch und Frau Millich, welche psychischen Beschwerden können im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt auftreten?
Die Frauen schildern ganz unterschiedliche Beschwerden – zum Beispiel Überforderung, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Kraftlosigkeit, Zwänge, Schlaflosigkeit oder Ängste. Manche Frauen kennen auch die belastenden Gedanken „Ich genüge nicht“ oder „Ich bin keine gute Mutter“. Auch berichten Frauen von Schuldgefühlen und dem Empfinden, das eigene Kind nicht annehmen oder lieben zu können. Das fühlt sich für die Frauen sehr beunruhigend und selbstwertreduzierend an.
Was können Ursachen bzw. Auslöser sein?
Die Ursachen und Auslöser sind meist sehr individuell. Vermutlich spielen dabei verschiedene Faktoren eine Rolle, die bei jeder Frau unterschiedlich stark Einfluss nehmen. Zu beachten ist zum Beispiel die hormonelle Umstellung während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Außerdem gibt es Geburten, die als negativ oder sogar traumatisch erlebt werden. Muttersein ist oftmals auch verbunden mit einer neuen Rolle und neuen Herausforderungen. In Verbindung mit Erwartungen, wie eine Mutter sein und empfinden soll, kann das den Frauen zusätzlich Druck machen. Und außerdem kann Einfluss haben, wie viel insgesamt gerade in der Familie so los ist.
Sind psychische Belastungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt durch die Corona-Pandemie und die damit verbundene Kontaktbeschränkung häufiger geworden?
Ehrlich gesagt, kennen wir da keine konkreten Zahlen. Aus den Erfahrungen der letzten Wochen haben wir aber gemerkt, dass die Corona-Pandemie bei vielen Familien für Unruhe und erhöhte Belastung sorgen konnte. Die Familien standen vor unerwarteten Herausforderungen und mussten ihren Alltag neu organisieren. Auch Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch der Frauen untereinander kam zu kurz. Auf der anderen Seite führte die Pandemie manchmal auch dazu, dass die Familien eine Pause vom turbulenten Alltag hatten.
Was kann eine Frau tun, wenn sie sich während der Schwangerschaft oder nach der Geburt anders fühlt als erwartet?
Kontakt aufnehmen, Gespräche suchen. Sei es im direkten Umfeld oder tatsächlich bei uns in der Beratung. Wichtig ist, dass dieses Thema ernst genommen wird, die Frauen nicht alleine damit bleiben und rauskommen aus dem Gefühl „Es betrifft nur mich“.
Wie unterstützen Sie in Ihrer Beratungsstelle betroffene Frauen?
Wir möchten den Frauen in unserer Beratung Raum geben, über ein leider häufig noch tabuisiertes Thema zu sprechen. Wir möchten signalisieren, dass die Frauen nicht alleine sind und wir sie dabei unterstützen, ein für sich stimmiges und individuelles Mutterbild zu entwickeln. Wir verstehen uns hier auch als Lotsen zu den anderen Fachkräften, indem wir zur Einschätzung zum Beispiel objektive Fragebögen nutzen. Als konkretes Angebot bieten wir Einzel- und Paarberatungen und immer wieder auch Gruppen für psychisch belastete Mütter an.
Können sich auch psychisch belastete Väter an Sie wenden?
Ja, sehr gerne sogar. Prinzipiell ist es uns ein Anliegen, die Partner*innen mit einzubeziehen. Im Übrigen können auch diese an einer psychischen Belastung vor oder nach der Geburt ihres Kindes leiden.
Weitere Infos zu der Schwangerenberatungsstelle Zentrum Kobergerstraße findet Ihr hier:
http://www.zentrum-koberger.de/schwangerenberatung/
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