Prinzessin? Nein danke!

von | 13. September 2024 | Eltern werden, Eltern sein, Miteinander leben, streiten, wachsen

Ich höre mich noch heute mit meiner Mutter telefonieren, als die Türe vom Gynäkologen hinter mir ins Schloss fällt. „Mama es wird eine Prinzessin!“ Mama freut sich sehr und ich mich auch. Als Emy auf die Welt kommt, liegt sie auf meinem Bauch und schaut mich mit großen Augen an, als würde sie sagen: „Mama hier bin ich, aber ich bin keine Prinzessin!“

Dieser Blick von damals hat mich nicht getäuscht. Drei Jahre später mag sie keine hübschen Kleider anziehen, rosa mag sie auch nicht, Ketten und Armbänder auch nicht und sie räubert mit zerrissenen Jeans und blauen mit Flecken übersätem T-Shirt mit ihrem großen Bruder durchs Wohnzimmer. Weit entfernt von Haare kämmen, mit Puppen spielen und Sandalen im Sommer anziehen ist sie dann mit fünf soweit, dass sie ihren eigenen Modestil entwickelt hat. Emy zieht ihre zerrissenen Hosen an und über dem viel zu großen Pullover Ihres Bruders ein enges T-Shirt. Turnschuhe meistens in schwarz sind ihr Wegbegleiter und wenn ich ihr hübsche Schuhe mitbringe, weil ich die gerade gesehen habe, kann ich sie am nächsten Tag gleich wieder umtauschen.

Man hat so eine gewisse Vorstellung, wie etwas oder jemand zu sein hat und dann kommt es doch ganz anders – zum Glück. Jahre später muss ich mir keine Sorgen um meinen Nagellackvorrat oder meine Schminkutensilien machen, denn das mag sie alles nicht. Emy hat lange Haare bis zur Hüfte, meistens Kapuzenpullis an und verhalten und Mode sind weit weit entfernt von einer Prinzessin. Sie sagt was sie will und nicht will, ist selbstbewusst, mutig und irgendwie cool. In der Welt der Pferde ist sie zu Hause und Reiterhosen sind in.

 

Doch wie können wir jeden so lassen wie er ist und nicht versuchen, sie oder ihn nach unseren Vorstellungen, Erwartungen und Wünschen zu formen? Ich finde das ganz schön schwer. In meiner Berufsrolle als Erzieherin ist mir das so gut gelungen und ich habe Eltern und Kinder individuell und einzigartig betrachtet und sie in ihrem ganzen Wesen gelassen. Jetzt habe ich eigene Kinder und denke mir, ich muss doch auf die gesellschaftlichen Normen und Werte schauen und mich diesen anpassen.
Oft habe ich als Kind gehört, dass ich brav und leise sein soll. Doch wird man so nicht zu Gehorsam erzogen – anstatt darauf zu hören, was mein Bedürfnis mir sagt?

 

Tue ich das Gleiche nun bei meinen Kindern? Alte Glaubensmuster anwenden, die keinen Sinn ergeben. Zur Konfirmation einer Freundin trägt man nun mal ein Kleid wie eine Prinzessin, oder nicht? Naja, es gab ja nicht wirklich eine Kleiderordnung. Aber Emy ist davon überzeugt, mit Jeans und Kapuzenpulli zu gehen oder eben gar nicht. Dann stellt sich für mich die Frage: Lass ich das zu? Man weiß als Mama nicht, wie man reagieren soll. Na gut, ich akzeptiere ihren Wunsch und mache mich schon auf die Blicke der Verwandtschaft gefasst. Ihr Kapuzenpullover ist in einem schönen Grünton und betont ihre Augen. Die langen Haare hat sie offen gelassen und nur an der Seite eine Strähne geflochten. Sie ist eben sie.

Als wir in der Kirche sitzen und alle anderen Mädchen Kleider und Schminke tragen, Schmuck und hochhackige Schuhe, freue ich mich über mein Mädchen. Ja sie hat ihren eigenen Stil und ihren eigenen Kopf. Aber es gibt einen Unterschied. Sie strahlt. Sie strahlt mehr als jedes Kleid und jeder Diamant der Welt das kann. Und ich finde sie sehr schön, so wie sie ist und bin unglaublich stolz auf sie, dass sie sich durchgesetzt hat und sich wohlfühlt. Denn dies sieht man ihr auch an. Niemand sagt was über ihren Kapuzenpullover.

Ich habe so viel von ihr gelernt und das obwohl ich so viel älter bin: Egal welche Klamotten man trägt und ob es die Gesellschaft so will, egal ob man rosa oder blau anhat, es ist einfach egal, wenn die inneren Werte stimmen. Und die stimmen bei meiner Prin…..mhhh Räuberin. Und jetzt ein paar Jahre später ist mein Schrank meistens leer. Ich ziehe ihre Kleidung an und sie meine, denn welch Überraschung – ich bin auch keine Prinzessin, sondern eine Königin und die darf nun mal tragen was sie will.:)

 

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