„Nie ins Heim!“ Sag niemals nie.

von | 13. Januar 2020 | Miteinander leben, streiten, wachsen

„Nie ins Heim!“ war die Devise meiner alten Eltern.

Niemals das Zuhause aufgeben, das man sich selber geschaffen und eingerichtet hat. Sich niemals fremden Menschen ausliefern und tagtäglich von Mitbewohnern im selben hohen Alter umgeben sein.
Und niemals darüber sprechen, was denn die Alternative ist, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht mehr geht – Zuhause.

Viele Angehörige kennen das:

Man macht vorsichtig darauf aufmerksam, dass Hilfe nötig ist, weil die Gebrechlichkeit offensichtlich wird. Man regt Umgestaltung in der elterlichen Wohnung an, organisiert Putz- und Einkaufshilfen oder Pflegedienst, besorgt Hilfsmittel, schlägt eine Tagespflegeeinrichtung vor…und und und…

Ganz plötzlich stand meine Mutter allein da

Der Vater war verstorben, sie selber in einem so schlechten Zustand, dass Kurzzeitpflege in einem Heim notwendig war, um sie „aufzupäppeln“. In dieser Zeit wurde auch ihr klar, dass nun nichts mehr so war wie vorher. Sie hätte nur noch mit Hilfe einer Betreuungskraft, die im Haushalt lebt, daheim bleiben können, und zusätzlich hätte der Pflegedienst täglich kommen müssen. (Das wäre übrigens insgesamt auch viel teurer gewesen als ein Heimaufenthalt).
Entscheidend war aber, dass das Kennenlernen zugewandter Betreuung und einer neuen, freundlichen Umgebung meiner Mutter erleichterte, „Ja“ zu sagen: Ja zum Heim.

Es war ein vorsichtiger, wehmütiger Neuanfang,

aber auch ein Abschied von einem langen Leben zu zweit. Als Familie haben wir viel getan, um ihr die Eingewöhnung im Altersheim zu erleichtern. Kinder und Enkel waren häufig zu Besuch, damit ja nicht das Gefühl entsteht, „abgeschoben“ zu sein. Wir haben Mutter weiter zu Familienfesten geholt und kleine Erkundungen der Umgebung mit ihr gemacht – sehr bald im Rollstuhl, wozu uns das Pflegepersonal ermutigte. Nie hätte ich gedacht, dass meine Mutter sich freiwillig in einen Rollstuhl setzen würde. Aber sie spürte bald, dass ihr Radius dadurch größer wurde und dass ihr die Beine nicht mehr so weh taten.

Das Vertrauen ins Altersheim wuchs,

und das lag vor allem an der Freundlichkeit und Geduld der meisten dort Beschäftigten – eine Geduld, die uns Angehörigen zum Teil schon lange abhanden gekommen war im Stress zwischen Beruf, eigenen Bedürfnissen und dem Umgang mit den „Alten“.
Wir konnten manche Sorgen abgeben: Mutters Grundversorgung war endlich gesichert. Sie war gepflegter, sie nahm wieder zu und gewann endlich wieder eine Tagesstruktur.
Das ermöglichte es ihr auch, neue Eindrücke aufzunehmen. Trotz aller Scheu, sich auf andere „Alte“ einzulassen und sich an den Veranstaltungen im Haus aktiv zu beteiligen: Wir als Angehörige konnten sehen, dass sie lebendiger und interessierter am Leben teilnahm als in der anstrengenden Zeit, in der sie und mein Vater allein und zurückgezogen ihren Alltag zu meistern hatten.

Wir konnten abgeben,

aber wir mussten – und wollten – viel präsent sein. Das fand ich aber viel angenehmer, als regelmäßig abgehetzt durchs Elternhaus zu jagen, um Stolperfallen zu beseitigen, den Kühlschrank zu kontrollieren oder sonstwie nach dem Rechten zu sehen. Klar waren immer wieder auch Gespräche mit dem Pflegepersonal wichtig und Besorgungen zu machen. Wir brachten, von Fotoalben und Lieblingsvase bis zu alten Briefen von Mutters Freundin viele persönliche Dinge ins Heim, um ihr das Eingewöhnen zu erleichtern: Ein Vogelhäuschen vor das Fenster. Die eigenen Sofakissen. Das war ihr auch wichtig.
Als Mutter stürzte, waren wir sehr besorgt – aber erleichtert, dass das Heimpersonal sofort zur Stelle war und sich um ärztliche Versorgung kümmerte. Zuhause wäre das so nicht der Fall gewesen.

Endlich war mehr Zeit

um miteinander zu sprechen, und nicht nur die Versorgung von Mutter sicher zu stellen. Um den verstorbenen Vater gemeinsam zu trauern und alte Bilder gemeinsam anzusehen. Gemeinsam in einer Cafeteria andere Leute zu beobachten oder uns am Park im Herbst zu freuen.
Manchmal wünschte ich, die Eltern hätten sich früher und mutiger gemeinsam auf die Suche nach einer Alternative zum beschwerlichen Leben zuhause gemacht. Vielleicht hätte dann auch Vater seine letzten Monate oder Jahre noch etwas genießen können.
Vielleicht – wir wissen es nicht. Aber ich finde es aus unserer Erfahrung heraus schade, wenn es bei vielen alten Menschen von vornherein heißt „Nie ins Heim!“.
Ein Altersheim kann auch Geborgenheit und neue, gute Erfahrungen vermitteln.

Die Broschüre „Mitten im Leben oder zwischen allen Stühlen?“ des Bündnisses für Familie und des Pflegestützpunktes geht auch auf Auswahlkriterien für ein Heim ein:
https://www.nuernberg.de/internet/buendnis_fuer_familie/publikationen.html#48

Auf der Seite des Seniorenamtes finden Sie viele Links zu Beratungsangeboten und wertvollen Broschüren:
https://www.nuernberg.de/internet/seniorenamt/

 

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