Liegt da ein Duft in der Luft?
Bratäpfel, Glühwein, Bienenwachskerzen oder der Rauch von einer Feuerstelle – es gibt viele Gerüche, die man mit Weihnachten und der Zeit drumherum in Verbindung bringen kann. Solche, die alle damit verbinden und solche, die einzig man selbst damit verbindet.

Bei Prof. Dr. Jessica Freiherr ist es der Duft von Bratwürstchen, der rund um den Weihnachtsmarkt in der Luft liegt. Und der sie schnurstracks zur nächsten Würstchenbude führt. Das Interessante daran ist, dass Jessica Freiherr genau weiß, warum sie auf diesen Duft „hereinfällt“. Denn sie hat eine Professur für Neurowissenschaften der sensorischen Wahrnehmung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg und kann dieses Empfinden wissenschaftlich erklären.
„Unsere Geruchswahrnehmung ist eng mit Gefühlen und Erinnerungen verknüpft und das lässt sich bereits an der Hirnorganisation erkennen: Riechinformationen gelangen über Nervenfasern direkt von der Nase ins Vorderhirn und von dort in das limbische System, das für Emotionen und Gedächtnis verantwortlich ist. Kein anderer Sinn geht diesen direkten Weg.“ Eine Autobahn von der Nase ins Gehirn sozusagen. Angereichert mit angeborenen und erlernten Anteilen. Denn zum einen sind unangenehme Gerüche Warnsignale, zum Beispiel, wenn Essen verdorben ist, zum anderen lernen wir, welche Gerüche wir gut und welche wir ziemlich abstoßend finden.

Auf der Basis von Erfahrungen von Beginn unseres Lebens an gestalten wir sozusagen unsere eigene innere Geruchslandkarte, wobei wir hier in der Kindheit besonders stark geprägt werden und auch gezielt dazu hingeführt werden können. Denn „die Fähigkeit, Gerüche bewusst wahrzunehmen und zu erinnern, ist trainierbar. Wer das früh lernt, entwickelt eine reichere und stabilere Duft-Erinnerungswelt.“ Und es kann sein, dass er diese tief in sich gespeicherten Düfte später mal braucht, denn interessanterweise sind sie so hartnäckig im emotionalen Gedächtnis verankert, dass sie sogar zu stark betroffenen Demenzkranken durchdringen können.

Das Schöne daran ist, dass wir unsere Duft-Erinnerungs-Verknüpfungen auch ein Stück weit verändern können: „Im Prinzip kann man den Geruchssinn wie einen Muskel trainieren und neue Duft-Erinnerungs-Kombinationen schaffen. Wenn man bestimmte Gerüche regelmäßig in positive Situationen einbindet, entstehen dann neue emotionale Anker.“ Diese Methode machen sich allerdings auch andere zunutze. Handel und Marken setzen gezielt Düfte ein, um Weihnachtsstimmung und Konsumlaune zu erzeugen.
Hat man seinen Geruchssinn verloren oder ist dieser stark eingeschränkt, fällt man zwar nicht mehr auf diese das Unterbewusstsein angreifenden Tricks herein, aber dieser Vorteil wiegt die Nachteile nicht auf. „Der Verlust des Geruchssinns ist ein tief einschneidendes Erlebnis, das hat man während der COVID-Pandemie bei vielen Betroffenen gesehen. Ohne Riechen schmeckt Essen fade, weil nur die Grundgeschmäcker bleiben. Man kann den eigenen Körpergeruch oder verschmutzte Kleidung kaum einschätzen, Warnsignale wie Rauch oder verdorbene Lebensmittel werden nicht mehr wahrgenommen.“ Und Prof. Dr. Freiherr ergänzt: „Viele Menschen entwickeln in der Folge depressive Symptome, weil ein wichtiger Teil ihrer Sinneswelt wegbricht.“

Manche Düfte begleiten uns ein Leben lang, andere lösen sich im Nichts auf. Das liegt daran, dass gespeicherte Gerüche mit Momenten verknüpft sind, die in uns irgendetwas bewegt haben. Dann bleibt der Geruch hängen und kann manchmal, viele Jahre später einen Erinnerungsflashback auslösen, positiv wie negativ. Fehlt die emotionale Färbung allerdings, dann lässt das Unterbewusstsein den Duft weiterziehen und er verflüchtigt sich wie warmer Atem in der Winterluft. Gerade, weil viele Gerüche rund um Weihnachten bei uns mit positiven Erinnerungen verknüpft sind – der Teig, den man als Kind versuchen durfte in einer Küche voller Plätzchenduft, das Parfum, das nur bei einem geliebten Menschen diese besondere Note hatte oder der Geruch von Tannennadeln und Harz – der Wunsch, besondere Düfte zu speichern und damit vielleicht auch für die Nachwelt zu erhalten, ist verständlich. Von der Wirklichkeit aber noch ein ganzes Stück entfernt.
„Im Verbund zwischen Fraunhofer IVV, Fraunhofer IIS und der FAU Erlangen-Nürnberg hatten wir das große Projekt „Campus der Sinne“. Innerhalb dieses Projektes haben wir versucht, Gerüche technisch zu erfassen und digital abzubilden. Einzelne Geruchsstoffe kann man inzwischen mit Sensoren identifizieren. Das funktioniert bereits ganz gut.“ Und trotzdem sind wir von einem wirklichen digitalen Riechen, das mit dem menschlichen Sinn vergleichbar wäre, noch weit entfernt.

Und dabei wäre es doch so schön, wenn wir Düfte festhalten könnten wie Fotos, wenn wir sie in ein Schraubglas packen und bei Gelegenheit immer mal wieder daran schnüffeln könnten. Aber bis die Wissenschaft so weit ist, müssen wir uns wohl damit zufriedengeben, dass Düfte etwas sind, das man nicht konservieren kann, sondern erleben muss und vielleicht ist genau das der Grund, warum sie uns so tief berühren.
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Wir wünschen euch eine duftende Weihnachtszeit und einen guten Start in ein glückliches und gesundes Jahr 2026!
Euer Stab Familie
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