Die wilde Jagd und andere Geister
Ein außergewöhnliches Jahr neigt sich dem Ende zu und vielleicht gehört ihr ja auch zu den Familien, die diese Weihnachtszeit und auch den Jahreswechsel zum ersten Mal in ganz kleiner Runde feiern? Ich kenne so einige enttäuschte Kinder, die den Trubel lieben, und dazu gehörige Eltern, die eigentlich ganz froh sind, sich dem Fest in diesem Jahr nicht im ganz großen Familienkreis widmen zu müssen. Für viele von uns wird es ein Jahreswechsel, fernab der bisherigen Traditionen.
Ihr habt noch keine Idee, was ihr mit den Kindern unternehmen könntet? Einen Vorschlag hätte ich da:
Um die Raunächte, zwischen dem 25.12. und dem 6.1. ranken sich viele Mythen. Man erzählt sich, zu Silvester würde die „wilde Jagd“ aufbrechen. Das Geisterreich öffnet dann seine Tore und die Seelen der Toten und andere Geister wandeln in unserer Welt herum. Wer einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat, der würde sich in dieser Zeit gar in einen Werwolf verwandeln und sogar Dämonen würden durch das Land ziehen. Es heißt, die Tiere im Stall würden mancherorts um Mitternacht in unseren Sprachen mit uns sprechen können. Unser kleines Rudel freut sich auf die gemeinsame Zeit und die Ruhe. In diesem Jahr hat der unheimlichste Spuk schon viele Monate sein Unwesen getrieben und unsere Fähigkeiten zum Gruseln fühlen sich abgenutzt an. Aber es gibt etwas, das wirkt einfach immer: Die finstre Nacht in der Natur.
Vor etwa einem Monat hatten wir ein trauriges Geburtstagskind, das keine Party haben durfte. Dementsprechend ratlos waren wir zunächst, wie denn ein richtiger Geburtstag mit den bestehenden Hygieneregeln hinzukriegen sein könnte. Wir brüteten und brüteten und sicher war es ein glücklicher Zufall, der uns beim Aufräumen unseres Balkons über die kleine Feuerschale stolpern ließ. Ein Feuer ist immer auch ein Abenteuer! Wir entschieden uns also für ein Übernachtungstreffen mit dem langjährigsten Freund, das mit einer Nachtwanderung aufgepeppt werden sollte. Beide Jungs waren von der Idee hellauf begeistert und – zumindest in Worten – unglaublich unerschrocken.
Als es endlich soweit war und wir uns für den Ausflug zum Fluss bereitmachten, legte sich eine spürbare Anspannung auf unsere Helden. Wir mummelten uns allesamt in dicke Winterkleidung, schnappten uns die Isomatten, das Zubehör fürs Feuer und eine Kanne mit warmem Tee. Jeder der Jungen bekam eine Taschenlampe in die Hand gedrückt und dann ging es los. Wir schlenderten gemütlich in Richtung des Wassers und wir Erwachsenen begannen, fast beiläufig, schaurige Geschichten zu erfinden. Auch wenn unser Ziel tagsüber überschaubar und freundlich wirkt, ist es im Dunkeln ganz anders. Es gibt dort keine Laternen und auch sonst keine Lichtquellen. Wir pirschten vorsichtig hinunter ans Ufer des Flusses und zu den flachen Steinen, auf denen wir auch im Hellen gern spielen. Auf den Steinen ließ sich unsere Feuerschale sicher aufstellen und das Rauschen des Flusses war eine wunderbare Untermalung. Dank der guten Vorbereitung war das Feuer auch schnell entfacht und wir saßen im Kreis drumherum.
„Krass, wie anders es sich anfühlt, wenn man ein Feuer hat. Es ist gleich nicht mehr so unheimlich…“, meinte der Große. Wir stellten uns vor, wie es für unsere Urahnen wohl gewesen sein mochte, am Feuer zu sitzen. Nachdem die erste Anspannung sich etwas gelegt hatte, machte jeder der Jungs eine kleine Mutprobe und wagte sich allein einige Schritte ins Dunkel. Zehn Schritte schaffte jeder von ihnen, dann tapsten sie schnell wieder zurück in die Geborgenheit des Feuerscheins. Mit einem Becher Tee in der Hand begannen wir, uns Gruselgeschichten zu erzählen. Wie ich auch schon in einem früheren Beitrag geschrieben habe, sind Drei-Wörter-Geschichten unser beliebtestes Spiel für solche Zwecke. Das lässt sich natürlich, je nach Personenanzahl, ausweiten: jeder der Anwesenden (außer dem Erzähler) darf ein Wort nennen, dass in der Geschichte vorkommen muss. Das Genre haben wir in diesem Fall vorgegeben. Schön schaurig sollte es sein! Die Kinder haben mal wieder die mit Abstand kreativsten Handlungsstränge erfunden und waren dabei sehr darauf bedacht, das Feuer nicht ausgehen zu lassen. Die Dunkelheit um uns herum schien nur darauf zu warten, sich unser kleines Licht einzuverleiben. Sobald das Holz aufgebraucht war, packten wir alles zusammen und unsere Helden waren so schnell zurück im Licht der Straßenbeleuchtung, wie noch nie zuvor.
Glücklich, aufgeregt und mit glühenden Wangen berichteten wir uns zu Hause, was am schaurigsten gewesen war und was gegen die Angst geholfen hatte. Witze machen zum Beispiel, oder ins Feuer schauen. In einem Punkt waren wir uns alle einig: das müssen wir unbedingt bald wieder machen! Nun stehen die Raunächte vor der Tür und mir flüstert schon wieder ein kleines Gespenst die Geschichte von der Grusellust ins Ohr. Gut, dass ich noch vom Kaminholz habe…
Wer ein kleines Feuer machen möchte, trägt natürlich Verantwortung und muss gut überlegen, was machbar und angebracht ist. Für uns ist es wichtig, die Kinder darüber zu informieren, wie man mit Feuer umgehen kann und was auf keinen Fall gemacht werden darf. Wir hatten eine kleine Feuerschale dabei, denn ein offenes Lagerfeuer ist in der Regel auch außerhalb der trockenen Monate nicht erlaubt. Anzündholz für den Kamin gibt es im Beutel vom Baumarkt. Das Holz ist gut getrocknet und es fliegen kaum Funken. Eine Flasche Wasser gehört dazu, nur für alle Fälle. Zum Entflammen braucht es nur etwas Papier und, falls erforderlich, kleine Stücken natürlicher Kaminanzünder. (Bitte auf keinen Fall Spiritus verwenden und auch kein lackiertes oder geleimtes Holz verbrennen!) Unser kleines Feuer hätte locker in zwei Hände gepasst und im Dunkeln war das absolut ausreichend! Für uns immer selbstverständlich: alles, was wir mitbringen, nehmen wir auch wieder mit!
Bildnachweis: Rawpixel
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