Das Christkind und die Weihnachtswichtel
Das dritte Jahr nun schon stelle ich mir den gleichen Fragenkatalog. Doch dieses Jahr komme ich um eine Antwort nicht mehr herum. Tilda ist nun drei Jahre alt und versteht so viel mehr als ich einer Dreijährigen zugetraut hätte. Besonders gut informiert war ich nicht, sonst hätte ich das absehen können. Aber zurück zu meinem Fragenkatalog:
- Wie passen Weihnachten und konfessionslose Erziehung zusammen?
- Darf ein religionsfrei erzogenes Kind nicht auch Freude an schönen Festen haben?
- Was machen wir mit dem Nürnberger Christkind, das durch seine Berühmtheit unmöglich zu verheimlichen ist?
- Muss Tilda wissen, dass die bekannte Version des Weihnachtsmanns eine Erfindung von Coca-Cola ist?
Denkbar sind viele Lösungen. Auf der einen Seite des Spektrums steht wohl die totale Verneinung von allem. Der 24.12. ist ein Tag wie jeder andere, es gibt keine Geschenke und schon gar nicht wird sich darauf gefreut. Auf der anderen Seite gäbe es die Möglichkeit, alles zu feiern, die Geschichte der unbefleckten Empfängnis sowie alle anderen biblischen Elemente zu lehren. Freunde von mir bewegen sich in Richtung dieses zweiten Extrems, vielleicht auch, weil ihre ungetauften Kinder in einen christlichen Kindergarten gehen.
Für mich hat sich herausgestellt, dass ich irgendetwas dazwischen als gut empfinden kann. Tildas Großeltern laden an Weihnachten ein. Es gibt einen geschmückten Tannenbaum, die Familie kommt zusammen und es gibt ein Geschenk. In den Tagen davor gibt es eine Schnur mit Säckchen im Schlafzimmer, an der Abwechselnd für Tilda und für uns eine Kleinigkeit steckt. Die Frage, warum dies alles der Fall ist, stellt Tilda schon. In ihrem Kindergarten erzählen alle Kinder, wie es bei ihnen ist – da ist alles vertreten, was man sich vorstellen kann.
Momentaner Stand bei uns ist, dass Weihnachtswichtel sich um die Geschenke kümmern und sich unheimlich freuen, wenn wir wie sie auch an andere denken. Tilda versteht, dass es eine Zeit ist, in der daran gedacht wird, dass es wichtig ist, füreinander da zu sein. Plätzchen werden geteilt und auch anderen eine Freude gemacht. Wir lesen ein wunderschönes Kinderbuch, in dem eine Eule behauptet, Weihnachten bedeute, dass ihr alle Geschenke machen müssen, bereut dies aber schon bald. Vielleicht kommt nächstes Jahr das Weihnachtsgürteltier, wer weiß?
Ende November waren wir bei der Eröffnung des Christkindlesmarkts. Tilda war sehr angetan, hat jeden Schritt der Zeremonie kommentiert (»wann geht’s da jetzt weiter?«) und nur der hell strahlende Mond war noch interessanter. Trotzdem erzählt sie täglich davon, dass wir am Weihnachtsmarkt waren und sie das Christkind und dessen tollen Kinderchor gesehen hat. Auch dass es Plätzchen, Lebkuchen, unendlich viele Lichter gab, hat sie nicht vergessen. All das hat sie schon sehr verzaubert. Dass dieser Festlichkeit eine christliche Geschichte zugrunde liegt, weiß sie nicht. Dass der Markt in seiner heutigen Gestalt 1933 eine Erfindung der Nazis war, wissen wenige, aber auch dass der Prolog, der gesprochen wird, von Friedrich Bröger stammt (Sohn des Arbeiterdichters Karl Bröger) und somit eine herrlich antifaschistische Nachkriegsfacette einbringt. Dass Benigna Munsi ein ganz bezauberndes Christkind ist, wissen außer der AfD alle.
2 Kommentare
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Bildnachweis: Wolfgang Riedl, Christine Dierenbach / Stadt Nürnberg, Birgit Fuder / Stadt Nürnberg
Nachdenklich, tiefsinnig, aufrichtig. Dankeschön
Dankeschön, das freut uns!