Coronazeit aus der Sicht einer Erzieherin
Als am Freitag den 13.03.2020 im Radio die Nachricht verkündet wurde, dass alle Einrichtungen nun ab dem 16.03.2020 schließen müssen, dauerte es nicht lang bis unser Telefon Sturm klingelte. Eltern riefen an und fragten: „Ist eure Einrichtung auch betroffen?“, „Muss der Beitrag trotzdem gezahlt werden?“, „Wann öffnet Ihr wieder?“, „Was ist jetzt mit euch Erzieherinnen?“. Fragen über Fragen, auf die wir teilweise selbst keine Antwort hatten. Natürlich denkt man in dem Moment auch an sich und was passieren wird.
Nun galt es erstmal so gut wie möglich alle Abläufe mit dem Träger abzustimmen und sich bestens für die bevorstehende Ungewissheit vorzubereiten. Sobald wir neue Informationen erhielten, wurden diese an die Eltern per E-Mail weitergeleitet. Die Reaktionen waren hier teilweise sehr unterschiedlich. Die einen nahmen es gelassen auf, für die anderen war das Ganze eine finanzielle sowie organisatorische Herausforderung. Bedingt dadurch gab es auch potenzielle Konfliktthemen, wo es galt, den Missmut empathisch abzufangen. Letzten Endes war ich froh darüber, dass die Entscheidung, die Kita zu schließen von der Regierung kam, statt diese den Trägern und Leitungen zu überlassen. Somit gab es für alle Beteiligten eine einheitliche Regelung.
Viele denken jetzt vielleicht, dass eine geschlossene Einrichtung mit „keine Arbeit für die Erzieherinnen“ gleichzusetzen ist – dem ist aber nicht so. Dokumentationen, Reinigen der Einrichtung, Umbau des Gartens, sowie die organisatorischen Belange, welche es mit den zuständigen Behörden zu klären gab, versorgten uns mit ausreichend Arbeit. Wir kontaktierten unsere Bezugsfamilien auf unterschiedliche Art und Weise. Es gab Anrufe, Videotelefonie, Briefe, Grußkarten oder auch ein paar kleinen Aufmerksamkeiten. Administrative Aufgaben konnten von uns zu Hause aus erledigt werden, auch wenn HomeOffice in unserer Berufssparte eher unüblich ist.
Für mich persönlich spürte ich, dass ich mich auf administrative Aufgaben wesentlich besser konzentrieren konnte. Ich konnte zu Hause etwas entspannter und ohne Störfaktoren arbeiten und mich intensiver mit dem Inhalt bestimmter Themen beschäftigen. Mir fiel auch bereits nach wenigen Tagen auf, dass ich viel mehr Energie hatte und mich weniger erschöpft fühlte. Wenn ich normalerweise von einem 8 Stunden-Arbeitstag nachhause komme, habe ich Konzentrationsprobleme, bin müde und erschöpft. Doch es fühlte sich in dieser Phase ganz anders an. Ich hatte Energie, ich fühlte mich wacher und hatte viele Ideen. Die Zeit raste regelrecht an mir vorbei.
Das Homeoffice brachte jedoch auch eine Herausforderung mit. Ich musste mir für das Arbeiten neue Strukturen ausarbeiten, zum Beispiel was ich wann am besten umsetze, was Prioritäten hat oder wann ich was erledige, um es zeitlich besser zu terminieren. Die Arbeitsabläufe im Krippenalltag sind mit einer gewissen Routine verbunden. Nun war alles erstmal ziemliches Neuland für mich, wie sicherlich für viele andere Branchen. Ich war froh, dass ich meinem Job weiterhin nachgehen konnte, was in dieser Zeit nicht selbstverständlich ist.
Ab Mitte April kündigte sich dann die erste Familie mit Bedarf einer Notbetreuung an, im Mai kam das zweite Kind dazu. Mit zunehmenden Lockerungen in Bezug auf die systemrelevanten Berufe der Eltern füllte sich unsere Krippe wieder stetig. Vom gewohnten Alltag waren wir allerdings noch weit entfernt. Hygienevorschriften mussten beachtet und auch an die Eltern kommuniziert werden. Dienstpläne mussten an die veränderten Abläufe angepasst werden. Durch unterschiedliche Vorschriften, mussten insbesondere die Strukturen in den Bring- und Abholzeiten angepasst werden, wo unsere Familien äußerst gut kooperierten. Bekannte Rituale für die Kinder, wie das Anschauen eines Buches im Gruppenraum mit dem Elternteil, mussten z.B. leider entfallen. Ich persönlich fühlte mich angespannt, wenn ich z. B. Eltern auf die Einhaltung des Mindestabstandes oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ansprechen musste, denn darauf wurde ja schon an jedem Ort mit Argus` Augen geachtet und gemahnt. Doch jedes Mal, wenn ich in einer solchen Situation war, stellte ich fest, dass die Kommunikation zwischen vielen Familien und mir von Respekt und Wertschätzung geprägt war, so dass gar kein Platz für Reibereien war.
Seit Mitte Juli ist unsere Krippe wieder voll besetzt. Bei den meisten Kindern erlebte ich das Zurückkehren in die Krippe als unproblematisch. Ich persönlich war positiv überrascht, da ich darauf eingestellt war, dass viele Kinder nach der Pause Schwierigkeiten mit der Trennung von ihren Eltern haben könnten. Auch mit den geänderten Gegebenheiten haben sich die Kinder gut arrangiert. Viele Eltern erzählten uns zum Beispiel von veränderten Schlafrhythmen zu Hause oder dass ihre Kinder jetzt keine Windel mehr tragen würden. Den Wunsch der Eltern, das dies in der Krippe weiterhin so läuft, konnte ich irgendwie nachvollziehen, jedoch entsprach er nicht der Realität für die alltäglichen Abläufe in der Krippe. Die Kinder brauchten Zeit, um sich uns gegenüber überhaupt zu trauen, anzusprechen oder deutlich zu machen, dass sie auf die Toilette mussten. Ebenso brauchten einige Kinder ihre Zeit um sich in der Krippe wieder entspannen und einschlafen zu können. Zu Hause ist es schließlich eine komplett andere Situation gewesen. Wir begleiteten die Kinder noch engmaschiger bei den Toilettengängen und beim Händewaschen, da wir angehalten sind, den Kindern das korrekte Händewaschen zu zeigen und die weiteren Hygieneregeln einzuhalten.
Nach wie vor gilt es auch, alle Abläufe den Vorschriften anzupassen. Insbesondere müssen wir zum Beispiel auf geringfügige Erkältungssymptome achten und entsprechend handeln, was natürlich immer wieder zu Konflikten zwischen Personal und Eltern führen kann. Da wir vermutlich nicht in absehbarer Zukunft wieder zur Normalität zurückkehren werden, bleibt es zu hoffen, dass alle beteiligten Parteien weiterhin solidarisch miteinander umgehen und wir von einer zweiten Welle verschont bleiben.
Bildnachweis: Foto D Reinecke
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