Brodzlnde Breedlahumml! – Oliver Tissot zum Tag der Gewaltfreien Kommunikation
Das ist eigentlich das Schöne an der Demokratie: Man darf eine Meinung haben, seine Meinung sagen, und sogar Gemeinheiten äußern, selbst wenn die Allgemeinheit das für das Äußerste hält. Nicht wenige „Fridays for Hubraum“-Freunde scheinen aber leider tatsächlich mehr Hubraum unter der Haube als Grips in der Birne zu haben. Zumindest ist ihnen ihr Viertakter wichtiger als jegliches Taktgefühl. Die Gruppe musste deshalb kurz nach Gründung vom Netz genommen werden, da Hetze, Morddrohungen und rechtsradikaler Rumor überhandnahmen. Passend zum Thema hatte die Gruppe dafür gesorgt, dass das Klima total vergiftet war. Vorletzten Freitag, am 27. September 2019 wurde die Gruppe wieder freigegeben. Sie hatte keine zwei Tage später bereits über 510.000 Mitglieder, die nicht nur freie Fahrt für freie Bürger fordern, sondern auch einen Freifahrtschein für Frechheiten und Frontalangriffe. Ich finde es zumindest bedenklich, dass die Administratoren Folgendes extra betonen müssen: „Kanalisiert eure Wut doch bitte nicht auf ein 16 Jahre altes Mädchen, was soll sowas? Und Rechte Hetze geht gar nicht!“
Dieses Beispiel zeigt, dass der Versuch, verbales Faustrecht im Internet einzuschränken, nicht recht funktioniert. Im Gegenteil, die Rechten lachen sich ins Fäustchen. Zwar muss Facebook mittlerweile konsequenter gegen Hasskommentare und Falschnachrichten vorgehen. Aber aus Knallköpfen bekommt man Konflikte schürende Kraftmeierei nicht heraus. Redlich miteinander umgehen kann man aber nur, wenn man umgehend miteinander redet. Dazu gibt es auch wunderbare Ratschläge, bzw. den Rat, ohne Schläge zu kommunizieren. Im deutschsprachigen Raum gibt es dafür sogar einen Aktions- und Gedenktag, den „Tag der Gewaltfreien Kommunikation“, jeweils am 6. Oktober eines Jahres. 14 Non-Profit-Organisationen unterstützen dieses Projekt. Dass das Ganze noch kein gewaltiges Medienecho ausgelöst hat, liegt wohl daran, dass die das wirklich alles gewaltlos hinkriegen wollen. (Wobei ‚hinkriegen‘ in diesem Zusammenhang ein völlig falscher Begriff ist, denn man will ja weg von Kriegen und nicht hin.)
Die Gewaltfreie Kommunikation ist ein Konzept von Marshall B. Rosenberg, einem amerikanischen Psychologen, der am 6. Oktober 1943 im Bundesstaat Ohio geboren wurde und vor vier Jahren starb. Die Idee dahinter ist, so miteinander umzugehen, dass mehr gegenseitiges Vertrauen und größere Lebensfreude dabei herausspringt. Mit dem Wort Rosenberg kann man es ganz gut erklären. Ein Berg voller Rosen kann dornig sein und weh tun oder ein duftes Blütenarrangement ergeben. Rosen kennt man ja auch in vielen Familien oder Partnerschaften, zumindest in lange bestehenden, nämlich Neurosen, Arthrosen und manchmal leider auch Rosenkriege: Entweder es blüht einem was und man verduftet lieber, bevor es ein dorniger Weg und verletzend wird. Oder es ist ein Strauß voller Liebe und man blüht selber auf. Rosenberg wollte das letztere, nämlich dass wir alle wertschätzende Beziehungen entwickeln, die mehr gemeinsame Aktivität und Kreativität im Zusammenleben ermöglichen. Manchmal nennt man die Rosenberg’sche Kommunikationsmethode auch Giraffensprache. Weil man sich nämlich nicht zum Affen machen sollte, sondern zur Giraffe, die den Hals reckt nach mehr Überblick. Die Giraffe ist Symboltier der Gewaltfreien Kommunikation, weil der lange Hals für Weitsicht steht und Giraffen das größte Herz aller Landsäugetiere, also ein mächtiges Organ für Mitgefühl haben. Wenn man also gemeinsam tierisch drauf sein will, sollte man an die großen Paarhufer denken, um als Paar großartig in die Hufe zu kommen.
Entgegen den Nörglern, Hetzern und Stänkerern, die mantra-artig ihre Phrasen dreschen und sich einer dynamischen Welt mit ihrer schrillen statischen Sprache entgegenstemmen, empfiehlt Rosenberg, immer „konkret bezogen auf die Zeit und den Handlungszusammenhang“ zu reden. Klingt komplizierter, als es ist! Statt aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, sollte man ganz einfach Giraffe bleiben. Okay, dann hat man manchmal auf jemandem einen Hals, vielleicht sogar jemanden am Hals, aber darüber lässt sich reden. Am besten in vier simplen Schritten, nämlich der Reihe nach: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte.
„Wie bitte?“, fragen Sie jetzt vielleicht. Nun, Beobachtung bedeutet, konkret zu beschreiben, was jemand gemacht oder eben unterlassen hat, zum Beispiel DASS SCHO WIDDA NET ABGSCHBÜLLD IS, ohne das mit einer Bewertung oder Verurteilung zu vermischen, zum Beispiel, indem man den anderen als DEBBERDEN DEBB bezeichnet. Die Beobachtung löst ein Gefühl aus, zum Beispiel, dass der Zustand zum GREINA UND SAUGRAUSN sei. Natürlich steht das Gefühl mit einem Bedürfnis in Verbindung, zum Beispiel , dass die BRODZLNDE BREEDLAHUMML ETZADLA ENDLI ABWÄSCHT! Aus dem Bedürfnis geht schließlich eine Bitte um eine konkrete Handlung im Hier und Jetzt hervor: ETZ MACH, SONST GNALLT’S! Und Rosenberg sagt nicht Wunsch, sondern extrra Bitte, damit es erfüllbar bleibt. Ein Bitte bezieht sich auf Handlungen im Jetzt, ein Wunsch hingegen wäre nur Hoffnung auf irgendwas Vages im Ungewissen. Am besten, man sagt einfach was man will, statt was man nicht will. Das Ganze lässt sich auf eine Formel bringen: „Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.“ Wobei A die Beobachtung, B das Gefühl, C das Bedürfnis und D die Bitte ist. Man sieht, wer A sagt, muss hier nicht nur B sagen, sonder auch noch C und D. Und nicht etwa gleich Ade! Für Franken ist das wahrlich viel verlangt. Aber ein Versuch ist es wert. Und wenn es auf Anhieb nicht klappt, dann ist ein lieb gemeintes „DOUD MER FEI LEID“ erst mal nie verkehrt.
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