Baby-Blues?
Bei Familie M. ist endlich das sehnlichst erwartete Baby da. Der stolze Papa präsentiert den Nachwuchs der ganzen Verwandtschaft.
Auch Frau M. bemüht sich, ihre Freude über ihr kleines Kind zu zeigen. Niemandem fällt auf, dass der Mutter zum Heulen ist. Wo ist die Freude über das kleine Wesen? Dabei hat Frau M. doch gar nicht mehr den Tag erwarten können, bis endlich das Baby auf der Welt ist.
Kopfschmerzen und Schwindel plagen die junge Mutter. Sie sieht ihr Kind an, kann aber keinerlei Freude darüber verspüren. Eigentlich fühlt sie gar nichts.
Nach der Entbindung war sie sehr erschöpft, aber zugleich glücklich, über das kleine Wesen, das man da auf ihren Bauch legte. Am zweiten Tag kamen dann die Tränen. Das ist der Baby-Blues hieß es, das haben alle Mütter, das vergehe wieder.
Aber der Baby-Blues verging nicht. Es wurde eher schlimmer. Nun ist das Kleine schon vier Monate alt, aber die Freude bleibt aus. Eigentlich verspürt Frau M. gar nichts, wenn sie ihr Baby ansieht. Sie ist müde, genervt, hat zu nichts mehr Lust, empfindet ihr Kind als Last. Sie schämt sich dafür und hat große Schuldgefühle. Was für eine Rabenmutter sie doch ist!
Wenn sie mit dem Kinderwagen unterwegs ist sieht sie lauter glückliche Mütter, die stolz von den tollen Fortschritten ihrer Kinder erzählen. Am liebsten möchte Frau M. gar nicht mehr ausgehen. Am liebsten würde sie gar nicht mehr leben. Ein paar Mal hat sie ihren Freundinnen angedeutet, dass es ihr nicht gut gehe, aber die meinten nur, das ginge wohl jeder Mutter so, man sei halt mit einem Baby sehr gefordert, das sei ganz normal.
Aber Frau M. spürt, dass das nicht normal ist.
Eines Tages trifft Frau M. eine alte Freundin aus Schulzeiten. Deren Kind ist schon fast zwei Jahre alt. Nach der ersten Wiedersehensfreude wird Frau M. plötzlich still. Die gute Stimmung ist so schnell vergangen, wie sie gekommen ist.
Ihre Freundin bemerkt das und fragt, ob es ihr denn wirklich gut ginge. Da bricht Frau M. in Tränen aus und erzählt der Freundin von ihren Problemen.
Ihre Freundin nimmt sie daraufhin in den Arm und erzählt ihr ihre eigene Geschichte, die der von Frau M. sehr ähnlich ist.
Frau M. leidet mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer postpartalen Depression. Ca. 10 bis 20 Prozent aller Mütter sind davon betroffen. Das, was Frau M. erlebt, ist kein Versagen oder Unvermögen der Mutter, es sind die Symptome einer behandlungsbedürftigen Erkrankung.
Stimmungstief und Traurigkeit erleben fast die Hälfte aller Mütter kurz nach der Entbindung. Das ist der sogenannte Baby-Blues, der meist zwischen dem 3. und 5. Tag nach der Entbindung auftritt, aber innerhalb weniger Stunden oder Tagen wieder verschwindet.
Hält die gedrückte Stimmung an, verstärkt sie sich und kommen andere Symptome wie Schlafstörungen, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Interessen- und Freudlosigkeit hinzu, könnte tatsächlich eine Depression vorliegen.
Die betroffenen Frauen leiden oft an einer inneren Leere, der Unfähigkeit, Gefühle für ihr Baby aufzubringen bzw. überhaupt noch Gefühle wahrnehmen zu können. Dies ist mit großen Scham- und Schuldgefühlen verbunden. Nur wenige Mütter trauen sich darüber zu sprechen, aus Angst, als Rabenmutter abgestempelt zu werden.
Bei manchen Müttern entwickeln sich Zwangsgedanken, sie könnten ihrem Baby etwas antun. Dies wird als äußerst belastend und angstauslösend erlebt. Der Gedanke wird jedoch so gut wie nie in die Tat umgesetzt.
Gefährlich wird es, wenn Mütter Suizidgedanken entwickeln. Umgehende Hilfe ist dann angesagt.
Mütter, die von einer perinatalen Depression betroffen waren, haben ein erhöhtes Risiko, bei einer weiteren Schwangerschaft erneut zu erkranken. Eine Depression kann auch schon während der Schwangerschaft auftreten.
Glücklicherweise kann betroffenen Müttern gut geholfen werden, durch Psychotherapie und/oder Medikamente. Manchmal ist auch die Aufnahme in einer Klinik von Nöten. Hier in Nürnberg können Mütter mitsamt ihren Babys in einer Tagesklinik aufgenommen werden. Sie verbringen den Tag in der Klinik gehen jedoch abends und am Wochenende nach Haus. Auch ambulante Termine sind möglich. Weitere Ansprechpartner sind niedergelassene Psychiaterinnen und Psychiater.
Sollten Sie sich in der kleinen Geschichte wiedererkennen oder den Eindruck haben, Sie könnten an einer Depression leiden, zögern Sie nicht, sich Hilfe zu holen. Bitten Sie Angehörige oder Freunde, Sie zu unterstützen.
Sollten Sie Gedanken haben, sich selbst zu verletzen oder das Leben zu nehmen, holen Sie sich bitte umgehend ärztliche Hilfe. Erzählen Sie ihren Angehörigen davon, bitten Sie um Hilfe.
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