Aufwachsen mit KI: Wenn Algorithmen mitspielen wollen
„Stecke ein Ladegerät zur Hälfte in eine Steckdose und berühre dann die freiliegenden Zinken mit einer Münze.“ Diesen höchstgefährlichen Tipp bekam ein 10-jähriges Mädchen von „Alexa“ auf die Frage, wie es seine Freizeit spannender gestalten könnte. Das Beispiel zeigt, wie gefährlich Künstliche Intelligenz werden kann. Umso wichtiger ist es auch für die Nicht-Digital-Natives, sich mit dem Thema KI auseinanderzusetzen – denn die Hoffnung, dass der Hype schnell vorübergeht, wird sich nicht erfüllen.
KI versteckt sich schon jetzt in vielen Kinder- und Jugendzimmern – im Smartphone, in interaktivem Spielzeug, in Smart Speakern, im Fitness-Tracker und sogar im Babyphone.
Und am gefährlichsten: in den sozialen Medien, wo Algorithmen auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube das Verhalten der Nutzer analysieren und daraufhin Inhalte empfehlen, die – vermeintlich – deren Interessen entsprechen. Das kann dazu führen, dass man in sogenannte Filterblasen gerät, in denen nur einseitige oder auch extrem polarisierte, teils sogar extremistische und nicht selten falsche Inhalte angezeigt werden. So wird radikales Denken gesät und Vorurteile werden gefüttert.
Deepfake-Technologie ermöglicht es zudem, täuschend echte Bilder und Videos zu erstellen, die entweder dazu genutzt werden, falsche Informationen zu verbreiten oder um Kinder und Jugendliche in kompromittierenden Situationen darzustellen, die nie stattgefunden haben. Neben einer Gefährdung unserer Demokratie ist vor allem Cyber-Mobbing hier fast schon vorprogrammiert. Aber nicht nur das, der Algorithmus bemerkt die Stimmung des Nutzers und befeuert sie noch zusätzlich. Was fatal werden kann, wenn auf der anderen Seite ein trauriger Jugendlicher sitzt.
Auch LargeLanguageModels haben ihre Tücken. Sie reagieren mehr und mehr wie echte Menschen, können inzwischen die Gefühle des Gegenübers analysieren und sich dem auch stimmlich anpassen. „Ich bin hier, um dir zuzuhören und du kannst jederzeit mit mir sprechen. Du bist nicht allein“ antwortet etwa ChatGPT, wenn man angibt, Probleme zu haben. Doch ist es wirklich sinnvoll, wenn unsere Teenager sich einem Chatbot anvertrauen? Wenn sie in ihm einen Freund, eine Freundin sehen? Denn, mal ganz abgesehen von Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Sicherheit, ein Chatbot kann weder menschliche Wärme noch echte Empathie vermitteln – etwas, was entscheidend ist, wenn jemand seelisch leidet. Aber und diese Seite ist auch nicht zu verachten: Ein solches System ist rund um die Uhr verfügbar und kann mit seinem niederschwelligen Zugang sofortige Unterstützung bieten. Sofern es nützliche Informationen bereitstellt wie zum Beispiel die Nummer von Krisenhotlines.
Eltern und Erziehende sollten sich aktiv mit den neuen Technologien auseinandersetzen. Silke Müller, Autorin des Buches „Wer schützt unsere Kinder?“ zieht das Fazit, dass Bildung der Schlüssel sei. Denn KI bietet nicht nur Risiken, sondern auch Chancen – wenn man weiß, was sie kann und wie man mit ihr umgehen muss. KI-basierte Lernplattformen etwa gehen Schwächen gezielt an und fördern Stärken, Übersetzungsdienste können Sprachbarrieren überwinden, virtuelle Realität praktische Erfahrungen fürs Berufsleben vermitteln und Apps können zu gesunden Verhaltensweisen anleiten – am wichtigsten ist aber, den jungen Menschen den richtigen und auch kritischen Umgang mit den neuen Möglichkeiten beizubringen und das Bewusstsein für die Gefahren zu stärken. Und das geht nur, wenn wir uns selbst mit den Chancen und Risiken auseinandersetzen, dranbleiben an der Entwicklung und unseren Nachwuchs nicht ungefiltert einer Künstlichen Intelligenz überlassen.
Buchtipp:
Silke Müller
Wer schützt unsere Kinder? Wie künstliche Intelligenz Familien und Schule verändert und was jetzt zu tun ist
Droemer
ISBN: 978-3-426-44902-8
Bildnachweis: Copyright: Adobe, JMarques, Copyright: Adobe, izkes, Copyright: Adobe, Firn, Copyright: Adobe, ImageFlow, Copyright: Adobe, Adin
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