„Annelie soll selbständig mit dem Rad zur Schule fahren können!“
Wir treffen Klementyna Stipp und ihre Tochter Annelie auf der Hinteren Insel Schütt, mitten in der Altstadt: Sie kommt gerade von der Arbeit im Büro und hat danach die fast zweijährige Annelie von der Krippe abgeholt: Mit Fahrrad und Anhänger.
Familie Stipp hat kein Auto und erledigt so gut wie alles mit dem Fahrrad.
„Wir haben auch eine Box, einen Transportanhänger, für unsere Einkäufe“, erzählt Klementyna Stipp. „Besonders freue ich mich aber auf das bestellte Lastenfahrrad: Annelie kann dann vorne drinsitzen und sieht viel mehr als im Anhänger.“ Dass die Stadt Nürnberg den Kauf von Lastenfahrrädern finanziell gefördert hat, hat sie sehr begrüßt. Der Zuschusstopf war schnell ausgeschöpft.
„Meine Eltern meinten ja immer: Wartet erstmal ab, bis das Kind da ist! Sie glaubten, dann würden wir auch nicht mehr ohne Auto auskommen. Dabei ist vieles in der Stadt mit dem Rad viel besser zu erreichen! Und die lästige Parkplatzsuche fällt auch weg.“
Sie beklagt die Konkurrenz um die öffentlichen Wege, bei denen – gegenüber den Fahrrädern – immer noch zu viel Platz den Autos eingeräumt würde. In wie vielen Familien sind gar zwei Autos vorhanden, die Parkflächen benötigen und den Verkehrsfluss in den Städten beeinträchtigen.
Klementyna Stipp trägt ein T-Shirt, das für die Initiative „Radentscheid“ wirbt, die sich für ein sicheres Miteinander auf Nürnbergs Verkehrswegen einsetzt.„Ich fühle mich durchaus oft nicht sicher – wenn ich zum Beispiel regelmäßig den Nordwestring nutze. Vor allem nicht mit Annelie im Anhänger! Fahrradwege sind oft zu schmal, Kreuzungen zu unübersichtlich. Oft bin ich an Kreuzungen unsicher, ob mich Autofahrer überhaupt wahrgenommen haben, das ist ein großes Risiko.“Auch zu Fuß, so meint sie, werde es in der Stadt stellenweise immer schwieriger, sich sicher mit Kindern zu bewegen, weil alles von Autos zugeparkt werde.
Die Stipps sind aktiv im ADFC, dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub. Klementynas Mann Markus Stipp ist seit Februar Vorstandsvorsitzender in Nürnberg.
Sie bedauert, dass die Coronakrise auch dem ADFC einen Strich durch manche Veranstaltung gemacht hat, an denen die ganze Familie hätte mitmachen können:
So zum Beispiel auch durch die „Kidical Mass“ 2020, die es schon im letzten Jahr gab, um sich für eine kinderfreundliche, lebenswerte Stadt einzusetzen: Unter dem Motto „Platz da für die nächste Generation!“ demonstrierten Kinder und Erwachsene mit kleinen und großen Rädern in einem beeindruckenden Korso für ihre Ziele.
Bei allen Risiken: Klementyna Stipp wirbt dafür, dass Kinder bald mit dem Fahrrad vertraut werden: „Annelie hat jetzt schon ihr zweites Laufrad, auch wenn sie damit intensiv begleitet werden muss, in Gegenden wo es ruhiger ist. Links und Rechts sind noch keine fest verankerten Begriffe und ihr Angstgefühl ist nicht sehr ausgeprägt. Aber das Gefühl von Unabhängigkeit und Selbständigkeit ist so wichtig für Kinder! Ein Rad eröffnet völlig neue Perspektiven.“
Eben hat die kleine Familie einen Kurzurlaub in Spalt verbracht, was die Eltern sehr freut, denn im letzten Jahr musste der Radurlaub abgebrochen werden: „Annelie wollte damals krabbeln und die Welt erkunden, aber nicht längere Zeit im Anhänger sitzen. Dieses Jahr war das anders und eine Stunde gefahren werden, das ging schon ganz gut!“
„Vielleicht“, lacht Klementyna Stipp,“ wird Annelie, wenn sie 18 ist, alles anders machen wollen als ihre Eltern – so wie ich! Vielleicht wünscht sie sich dann, einen BMW zu fahren…“
Bis dahin wünscht ihre Mutter ihr, dass sie die Stadt als „wertvoll“ erleben kann durch naturnahe Mobilität.
https://www.adfc-nuernberg.de/
https://radentscheid-nuernberg.de/
https://www.nuernberg.de/internet/umweltreferat/lastenrad.html
Bildnachweis: Reinecke
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